Getäuscht - Thriller
seiner Halskette. »Und warum fragst du mich nach dem Krankenhaus? Sie wird sich doch sicher an den Namen erinnern können.«
»Emma und ich gehen im Augenblick getrennte Wege.«
Lazio dachte über Jonathans Bitte nach. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Ich helfe dir bei der Suche nach dem Krankenhaus, in dem deine Frau behandelt wurde. Das dürfte nicht schwierig sein. Gleich morgen früh rufe ich ein paar Kollegen an.« Er machte eine Handbewegung in Richtung seiner Freunde. »Willst du dich nicht zu uns setzen? Die Seezunge hier ist fantastisch.«
»Ich muss sofort herausfinden, wo Emma operiert wurde«, erwiderte Jonathan. »Sag deinen Freunden, dass du zu einem Notfall musst. Sie sind Ärzte und werden Verständnis dafür haben.«
»Du verlangst ganz schön viel von mir.«
»Und das ist erst der Anfang.«
Lazio stieß einen Seufzer aus. »Also gut, aber erst muss ich noch zur Toilette.«
»Natürlich«, sagte Jonathan und legte Lazio eine Hand auf die Schulter. »Lass mir nur deine Brieftasche da.«
»Meine Brieftasche?«, protestierte Lazio. »Das fehlte gerade noch.«
Jonathan bohrte die Nägel in die Haut des Mannes und ließ ihn auf diese Weise ein wenig von der Verachtung spüren, die er für ihn empfand. Lazio verzog das Gesicht und drückte Jonathan seine Brieftasche aus Krokodilleder in die Hand.
»Ich gebe dir zwei Minuten«, sagte Jonathan. »Wir treffen uns am Vordereingang.« Er blickte Lazio nach, der sich höflich einen Weg durch die Menge bahnte. Vor Jonathans innerem Auge stieg ein völlig anderes Bild von Lazio auf: Er sah einen aufgebrachten, mit Macheten und Knüppeln bewaffneten Mob, der den Arzt eine staubige Straße entlangzerrte. Lazio rief laut um Hilfe. Sein sorgsam frisiertes Haar war zerzaust, sein Gesicht übel zugerichtet und sein Hemd völlig zerfetzt. Damals war der Italiener lange nicht so makellos und höflich gewesen.
Jonathan klappte die Brieftasche auf und besah sich das Passfoto auf dem Führerschein. Er betrachtete die lächelnden Augen und die aalglatte Mimik des Mannes. Alles an Lazio war ein einziger Schwindel.
Mit einem Satz sprang Jonathan vom Barhocker und stürmte zur Herrentoilette. Dabei rempelte er alle, die ihm im Wege standen, rücksichtslos zur Seite. Vor der Herrentoilette blieb er stehen und öffnete die Tür.
»Ich sage Ihnen, er ist hier«, hörte er Lazio hinter einer Kabinentür sagen. »Ja, der Ransom. Der Mann, der wegen des Bombenanschlags in London gesucht wird. Nein, ich bin nicht verrückt. Ich kenne ihn. Ich bin selber Arzt. Wir haben zusammen gearbeitet. Es ist derselbe Mann, dessen Bild in den Nachrichten gezeigt wurde.«
Jonathan trat die Kabinentür ein, riss Lazio das Handy aus der Hand und beendete das Gespräch.
»Lass mich in Ruhe!«, rief Lazio. »Du hast nichts gegen mich in der Hand. Du kannst mich nicht zwingen, dir zu helfen. Was hast du angestellt? Du bist ein Terrorist!«
Jonathan stieß ihn mit Wucht gegen die Wand. Lazios Kopf knallte gegen die Kacheln. Er starrte Jonathan fassungslos an. »Hör genau zu«, sagte Jonathan und packte Lazio am Kragen. »Ich habe nichts mit dem Bombenattentat in London zu tun. Überhaupt nichts! War das deutlich genug? Und ich habe eine Menge gegen dich in der Hand. Fünf Patienten sind auf deinem OP-Tisch gestorben, weil du zu besoffen warst, deinen Job zu machen.«
»Das ist viele Jahre her«, protestierte Lazio. »Völlig überholte Anschuldigungen. Ich habe seitdem keinen Tropfen mehr angerührt. Wegen dieser Sache bin ich damals schon nicht angeklagt worden, und daran wird sich auch heute nichts ändern. Hast du vor, ein paar Afrikaner in den Zeugenstand zu holen? Welche Beweise kannst du schon vorbringen? Ich werde alles leugnen, und damit hat es sich. Was gibt dir überhaupt das Recht, mir zu sagen, was ich tun soll? Ich habe dein Bild in den Nachrichten gesehen. Du wirst auf der ganzen Welt gesucht.«
Jonathan ließ Lazios Kragen los. Der Mann prallte erneut gegen die Wand. Lazio hatte natürlich recht: Niemand würde ihm helfen. Jonathan erkannte, dass er nie wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren konnte, weder bei Ärzte ohne Grenzen noch sonst irgendwo. Hier ging es nicht um einen Fall von fahrlässiger Tötung in irgendeinem gottverlassenen Winkel eines Entwicklungslandes. Es ging um einen terroristischen Anschlag auf einen hochrangigen Politiker, einen Anschlag, bei dem sieben Menschen ums Leben gekommen waren. Egal, ob er unschuldig war oder nicht, er war
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