Getäuscht - Thriller
der Tür. Emma durchquerte den Flur und zog dabei ihre Pistole. Es klopfte erneut. Drei Mal. Sie spähte durch den Türspion und erkannte die mürrische, derangierte Gestalt draußen auf den ersten Blick. Sie öffnete die Tür. »Eine hübsche Wohnung habt ihr hier, Papi.«
»Die Wohnung gehört uns nicht«, erwiderte Papi und schob sich an ihr vorbei. »Sie gehört unseren Freunden in Teheran. Beschwer dich bei denen.«
»Es interessiert mich einen Dreck, wem die Bude gehört. Es ist ein wahnsinniges Sicherheitsrisiko, einen Agentenunterschlupf in einem so desolaten Quartier einzurichten.«
»Ein Sicherheitsrisiko, sagst du?« Papi baute sich vor ihr auf und wirkte dadurch schon eher wie der Chef eines Geheimdienstes. »Hast du in der Gegend vielleicht ein Polizeifahrzeug gesehen? Oder neugierige Nachbarn? Wohl kaum. Einen besseren Ort als diesen gibt es nicht, selbst wenn es sich nicht vermeiden ließ, dass du dem ansässigen Begrüßungskomitee eine kleine Lektion erteilen musstest.«
»Du hast alles gesehen?«
»Natürlich. Wofür hältst du mich?« Er wuchtete die große Ledertasche, die er bei sich trug, auf den Flurtisch und lockerte die Muskeln in seinem Nacken. »Was hast du denn erwartet? Eine moderne Einsatzzentrale mit Experten an chromblitzenden Schreibtischen und einem drei Meter großen Bildschirm an der Wand? Du gehörst jetzt zu meinem Team. Wir operieren im Untergrund. Damit dürften wir uns nicht allzu sehr von deinem ehemaligen Arbeitgeber unterscheiden, aber ich würde sagen, dass wir ehrgeizigere Ziele verfolgen.«
»Was ist mit den Laptops?«, fragte Emma. »Konntest du die Festplatte dechiffrieren, bevor sie die Löschfunktion aktiviert haben?«
Papis farblose Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Mit beiden Händen zog er einen Stapel Papier aus der Tasche, so dick wie ein Telefonbuch. »Wirf einen Blick auf die Queen, wie es sonst nur ihren engsten Vertrauten vergönnt ist«, verkündete er stolz. Er ließ den Stapel geräuschvoll auf den Tisch knallen. »Die detaillierten Baupläne, vom zuständigen Ingenieur eigenhändig unterzeichnet. Direkt aus dem Allerheiligsten heruntergeladen. Jeder Flur, jedes Fenster und jede Tür sind eingezeichnet. Akkurater geht es nicht.«
Emma strich mit der Hand über die detaillierten Zeichnungen und erkannte die Umrisse des Atomkraftwerks, das sie früher am Abend aufgesucht hatte. »Jederzeit gern zu Diensten«, sagte sie.
»Gleichfalls«, murmelte Papi.
Für die nächsten zwei Stunden steckten sie die Köpfe über den Plänen zusammen und gingen die Operation noch einmal Schritt für Schritt durch. Sie studierten den Sicherheitsbereich, durch den Emma hindurchmusste, um ins Kernkraftwerk zu gelangen, sprachen Emmas Weg bis zum Reaktor durch und, was noch wichtiger war, den Weg in den Lagerraum für die aufgebrauchten Brennstäbe, den Emma nach dem Einsatz auf dem gleichen Weg wieder verlassen musste. Sie betrachteten die Fotos, die Emma früher am Abend geschossen hatte, auf Papis privatem Laptop.
Zum Abschluss besprachen sie, wo der Sprengstoff platziert werden sollte.
»Du zündest zwei Bomben«, sagte Papi. »In der ersten stecken zwei Kilo RDX mit einem kleinen Zusatz Nitro, für einen besonders schönen Knalleffekt. Wenn du die Bombe richtig platzierst, reißt sie ein drei Meter großes Loch in die Wand. Das sollte für unsere Zwecke mehr als ausreichend sein. Die zweite Bombe ist größer. In ihr stecken drei Kilogramm HMX. Das Neueste und Beste, das der Markt derzeit hergibt. Pro Kubikzentimeter zehnmal so effektiv wie Semtex. Allerdings ein bisschen empfindlich, du solltest es also nicht fallen lassen. Wenn du die Uhr einstellst, achte unbedingt darauf, dass zwischen der ersten und zweiten Explosion eine Zeitspanne von sechs Minuten liegt. So lange wird es dauern, bis das Wasser abgelaufen ist.« Papi drehte den Bauplan von der Lagerhalle um und musterte Emma aufmerksam. »Du solltest genügend Zeit für deinen Rückzug einplanen. Wenn das Wasser aus den Kühlbecken abgelassen ist, werden die Brennstäbe mehr Gammastrahlen abgeben als die Sonne. Wenn dann noch das HMX hochgeht, solltest du nicht mal mehr in der Nähe sein. Noch Fragen?«
»Hast du die Papiere für die Inspektion dabei?«
»Alles hier drin.« Papi griff noch einmal in die Tasche, zog eine Schachtel heraus und schüttete den Inhalt auf den Tisch. »Dein Name ist Anna Scholl.« Er suchte in den Papieren, bis er einen österreichischen Pass und einen Führerschein
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