Getäuscht - Thriller
gefunden hatte. »Geboren 1975 in Salzburg. Studium in St. Gallen. Seit zwei Jahren arbeitest du bei der Internationalen Atomenergieorganisation, zuerst in der Verwaltung, bis du vor neun Monaten zur IGNS versetzt worden bist, der Abteilung für Nukleare Sicherheit.«
Emma schaute sich das Passfoto an. Es war ihr Karrierefrau-Image. Kürzeres Haar, randlose Brille, reichlich Make-up.
»Die Büroräume der IGNS befinden sich im La Défense. Sie werden dich im Eingangsbereich mit Anna Scholls Foto in ihrer internen Datenbank vergleichen. Ein Mann namens Pierre Bertels erwartet dich um 10.00 Uhr. Er leitet die Vollmachten-Prüfabteilung.«
Emma betrachtete die Adresse auf dem Papier: Internationale Gesellschaft für Nukleare Sicherheit, 14 Avenue de l'Arche, La Défense 6, Paris.
»Was ist mit der echten Anna Scholl?«
Der warnende Blick aus Papis grauen Augen sprach Bände. »Sie wird uns nicht in die Quere kommen«, sagte er kalt.
»Gut«, entgegnete Emma gleichgültig. »Und dieser Bertels wird ganz bestimmt nicht mit Wien telefonieren, um auf Nummer sicher zu gehen?«
»Garantiert nicht. Seine Firma arbeitet nicht direkt für die IAEO. Ihre Kunden sind die Kraftwerke. In einer Stunde sollte die Angelegenheit für dich erledigt sein. Ich habe dir etwas zum Anziehen besorgt.«
Papi holte die Sachen aus seiner Tasche und legte sie auf den Küchentisch. Vor Emma lagen ein schicker schwarzer Rock mit einer passenden Jacke, eingewickelt in die schützende Plastikhülle einer Reinigungsfirma.
Emma nahm den Rock vom Tisch, hielt ihn auf Armeslänge vor sich und betrachtete ihn. »Wenn ich mit diesem Rock die Beine übereinanderschlage, wird jeder meine Unterwäsche sehen.«
Papi trat neben sie und legte ihr den Arm um die Taille. »Ich habe die Sachen eigenhändig ausgesucht. Probier sie mal an.«
»Später.«
»Ich möchte sichergehen, dass sie sitzen.«
»Ist das ein Befehl, Oberleutnant?«
»Ich wurde inzwischen zum General befördert.« Papi trat dicht vor sie hin und strich mit der Hand langsam über ihren Po. »Du wirst doch einem Vorgesetzten keinen Wunsch abschlagen?«
»Soviel ich weiß, haben wir das schon vor langer Zeit beendet.«
»Es ist erst dann vorbei, wenn ich es sage.«
Emma fuhr herum und packte Papis Hand mit eisernem Griff. Aber Papi war kräftig und trotz seines beachtlichen Körperumfangs erstaunlich beweglich. Er befreite sich aus Emmas Griff, packte sie am Handgelenk und verpasste ihr mit der linken Hand eine schallende Ohrfeige.
»Du bist ganz schön stark geworden«, sagte er und ließ sie los.
Emmas Handgelenk schmerzte, aber sie ließ es sich nicht anmerken. »Tu das nie wieder.«
Papi grunzte verächtlich. »Eins musst du noch wissen. Wenn du das Atomkraftwerk betrittst, bekommst du einen Besucherausweis mit einem elektronischen Chip, der es ermöglicht, jeden deiner Schritte zu überwachen. Die einzige Person, die ohne Zustimmung der Direktion kontrollieren darf, wo du dich gerade aufhältst, ist der Sicherheitschef des Atomkraftwerks. Bevor du das Kraftwerk betrittst, wirst du den Kerl ausschalten müssen.«
»Wie heißt er?«
Papi verzog das Gesicht. »Das wissen wir noch nicht. Alle Mitarbeiter werden vom Betreiber eingestellt, der Électricité de France. Wahrscheinlich wurde Bertels bei seiner Einstellung überprüft. Er müsste also im Besitz seiner persönlichen Daten sein. Deine Aufgabe ist es, ihm diese Informationen zu entlocken.« Papi schlenderte gemächlich zur Tür. »Ich bin sicher, das wird kein großes Problem für dich sein. Schließlich ist das genau die Art von Herausforderungen, auf die ihr Nachtigallen spezialisiert seid, nicht wahr?«
Mit einem Lächeln schloss er die Tür hinter sich.
»Mistkerl«, sagte Emma.
48.
»Ich fliege nicht nach Italien. Ich bleibe hier. Hier wartet noch genügend Arbeit auf mich.«
Mit energischen Schritten durchquerte Charles Graves sein mit hellem Teppichboden ausgelegtes Büro im ersten Stock des Thames House und setzte sich entschlossen an den Schreibtisch. Kate Ford folgte ihm ins Büro, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
»Ich fürchte, darüber wird Sir Tony alles andere als erfreut sein«, sagte sie.
»Sir Tony möchte vor allem Ergebnisse sehen.«
»Auch wenn Sie seine Anweisungen missachten, um diese Ergebnisse zu erreichen?«
»Das lässt sich nun mal nicht vermeiden.«
Kate kam zum Schreibtisch und setzte sich auf einen Stuhl Graves gegenüber. »Was haben Sie denn
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