Getäuscht - Thriller
vor?«
»Die Kernkraftwerke sind nicht so sicher, wie die IAEO uns glauben machen will. Sonst würden sie nicht so einen Aufstand wegen der Laptops machen.« Er zog eine Schublade auf und wühlte darin, bis er das Telefonverzeichnis der Met gefunden hatte. »Die Alarmanlage in Russells Wohnung galt schließlich auch als unüberwindbar, oder irre ich mich?«, fragte er und blickte kurz auf.
»Wollen Sie behaupten, die Leute von der IAEO hätten keine Ahnung, wovon sie reden?«
Graves unterbrach seine Suche im Telefonverzeichnis. »Ich will damit nur sagen, dass Emma Ransom sich garantiert nicht ohne Grund die Mühe gemacht hat, die Laptops zu stehlen. Sie und ihre Leute führen irgendwas im Schilde. Robert Russell hat davon gewusst, und jetzt wissen wir es auch.«
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«
»Ich halte mich an Ihren Vorschlag. Ich finde heraus, von wem Robert Russell den Tipp hatte.«
»Sie wollen denjenigen finden, der Russell von dem Bombenanschlag erzählt hat?«
»Wen denn sonst?«
»Haben Sie denn aus den Telefongesprächen oder Internetverbindungen aus Russells Wohnung irgendeinen Anhaltspunkt über diese Person finden können?«
»Russell hat seine Spuren noch gründlicher verwischt als jeder Terrorist. Die einzige Telefonnummer, die wir mit ihm in Verbindung bringen können, wurde ausschließlich von seinen Freunden und Familienangehörigen genutzt. Das haben wir überprüft. Der clevere Bastard hatte vielleicht irgendwo SIM-Karten versteckt, die er für alle anderen Telefonate benutzt hat. Solange wir diese Karten nicht finden, kommen wir keinen Schritt weiter. Dasselbe gilt für seine E-Mails. Ah, da ist ja die Nummer.« Graves hatte die Seite aufgeschlagen, auf der die Nummer des AVS stand. Er hob den Hörer ab und wählte.
»Graves hier. Ich brauche sämtliche Aufzeichnungen, die vor drei Tagen zwischen 23.30 Uhr und 01.15 Uhr am Sloane Square gemacht wurden. Dehnt die Suche auf einen vier Quadratkilometer großen Bereich um den Sloane Square aus. Schickt alles, was ihr findet, an meine persönliche In-Box. Wenn ihr es in einer Stunde schafft, spendiere ich euch einen Kasten Guinness.«
»Russell ist in der Nacht vor seiner Ermordung von seinen Eltern aus direkt zum Sloane Square gefahren«, sagte Kate.
»Genau.« Graves stand auf, kam hinter dem Schreibtisch hervor, nahm seine Autoschlüssel vom Tisch und steckte sie in die Tasche. »Er war im Windsor, dem Club für Blaublütige. Dumm, dass ich nicht eher darauf gekommen bin.«
»Wieso dumm?«, fragte Kate, die mit Graves zur Tür ging.
»Ist das nicht offensichtlich? Russell hat im Windsor jemanden getroffen, der ihm verraten konnte, was es mit ›Victoria Bear‹ auf sich hatte.« Vor dem Büro blieb Graves kurz an der Tür stehen. »Viel Erfolg in Italien«, sagte er. »Ich hoffe, Sie finden ihn. Schnappen Sie sich Ransom.«
Ohne sich noch einmal umzudrehen, eilte er mit großen Schritten den Flur hinunter.
Wieder allein. Genau da lag das Problem, dachte Graves, als er durch die Straßen von Westminster fuhr. Zu viel Zeit für die Arbeit und zu wenig Zeit für sich selbst. Er war vierzig Jahre alt und einmal für ganze zwei Jahre verheiratet gewesen. Seine Ex hatte ihn vor die Tür gesetzt, als er 1991 nach einem neunmonatigen Einsatz im Irak zurückgekehrt war - besser gesagt, sie hatte seine Koffer, seine Fußballpokale und Jack, seinen Cockerspaniel, vor die Tür gestellt. Er hatte eine Narbe und einen Orden vorzuweisen, aber das hatte ihr nicht gereicht. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn.
Er war bei den Fallschirmjägern gewesen, einige Zeit auch bei der Spezialeinheit SAS, dem Special Air Service. Inzwischen gehörte er zum MI5. In beiden Fällen hatte ihm die Arbeit den Hauptteil seiner Zeit abverlangt, und er hatte dieses Opfer immer gern erbracht. Sozusagen mit Feuereifer. Etwas anderes hatte er nie kennen gelernt. Er hatte manchmal darüber nachgedacht, alles hinzuwerfen. Im privaten Sicherheitsdienst gab es viele gute Jobs bei Konzernen, wo man das große Geld machen konnte - zum Beispiel, Versicherungen gegen Betrugsversuche zu schützen oder Banken bei der Ausstattung mit den neuesten Alarmsystemen zu beraten. Aber im Grunde machte Graves sich nicht viel aus Geld. Er verdiente genug, um sich alles leisten zu können, was er zum Leben brauchte, und sogar noch ein bisschen mehr. Aber es war ihm immer um etwas anderes gegangen. Um etwas Wichtigeres als Geld. Es ging um das Gefühl, das man empfand, wenn man einen
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