Getäuscht - Thriller
Initialen? War es derselbe Mann, den Jonathan vor vielen Jahren im Hotel Rondo gesehen hatte? Für Jonathan stand zweifelsfrei fest, dass die Beziehung zwischen ihm und Emma rein beruflich war. Warum sonst würde er ihre astronomisch hohen Rechnungen begleichen?
Abgesehen von seiner Adresse wusste Jonathan nur noch, dass der Mann nicht mehr ganz jung und grauhaarig war und dass er Englisch mit britischem oder deutschem Akzent sprach. War er auch derjenige, der Emma beauftragt hatte, die Autobombe zu zünden? Und falls dem so war - war Divisions Mordanschlag auf Emma ein Versuch gewesen, sie daran zu hindern? Von einem konnte Jonathan wohl ausgehen: Wenn der Mann jener Freund war, den Emma hier aufsuchen wollte, musste er ebenfalls zu den Feinden von Division gehören.
Aber es gab eine Frage, mit der sich vielleicht alle anderen beantworten ließen:
Wer war Lara?
In der Ferne konnte er das Geräusch von kreischenden Reifen hören. Gleich darauf wurde eine Wagentür zugeschlagen. Jonathan blieb wie angewurzelt stehen und suchte mit Blicken die umliegenden Straßen ab, entdeckte aber nirgendwo etwas, das ein Grund zur Beunruhigung gewesen wäre. Es waren wohl nur seine Nerven. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ein paar Meter weiter entdeckte er einen Wegweiser zum Bahnhof. Der nächstgrößte Bahnhof vor Èze war Nizza. Die Zugfahrt dorthin dauerte ungefähr sieben Stunden. Er konnte nicht riskieren, sich so lange an einem Ort aufzuhalten, von dem eine Flucht kaum möglich war. Es musste noch einen anderen Weg nach Èze geben.
Er folgte weiter der Straße, wobei er hoffte, dass er inmitten der vielen Menschen unsichtbar blieb. Ein Mietwagen kam nicht in Frage. Per Anhalter zu fahren war undenkbar. Der einzige Weg, der ihm noch blieb, war ...
Plötzlich hörte er die näher kommenden Sirenen. Sie schienen so dicht vor ihm zu sein, dass er vor Schreck zusammenzuckte. Doch bevor er die Entfernung zwischen sich und den Polizeifahrzeugen genauer abschätzen konnte, verstummten die Sirenen abrupt. Jonathan warf einen Blick über die Schulter und bemerkte in einer der Seitenstraßen einen Tumult. Ein Mann in einer dunkelblauen Uniformjacke und blauer Reithose bahnte sich einen Weg durch die Menge der Fußgänger. Ihm folgten zwei Männer mit einer Straßenkampfbarriere. Es waren Carabinieri. Ihnen folgten weitere Polizisten, mit Maschinenpistolen bewaffnet und mit tief ins Gesicht gezogenen Schirmmützen.
Jonathan wich in eine Seitenstraße aus und blieb neben einem Kaffeehaus stehen, vor dem sich eine Menschenschlange gebildet hatte. Jonathan stellte sich an. Hilflos musste er mit ansehen, wie die Polizisten sämtliche Straßen mit ihren Barrieren abriegelten. Der Einsatzleiter sprach dabei immer wieder in ein Walkie-Talkie. Es war nicht zu übersehen, dass er von jemand anderem seine Einsatzbefehle erhielt. Jonathan zog sich noch ein Stück weiter zurück und versuchte sich im Schatten der Häuser zu verbergen.
Wieder hörte er die Geräusche, bevor er sehen konnte, was geschah. Eine Männerstimme erteilte lautstark Befehle. Einen Augenblick später erschienen Polizisten mit blauen Uniformen.
Jonathan spürte, wie Panik in ihm aufstieg. Er zögerte und wusste nicht, wohin er ausweichen sollte. Schließlich machte er auf dem Absatz kehrt und lief die Straße zurück. Er versuchte instinktiv, die Docks zu erreichen, wo er vielleicht in den Menschenmassen untertauchen konnte. Als er das Ende der Straße fast erreicht hatte, stoppte nur zwanzig Meter vor ihm ein blauer Alfa Romeo mit Polizeikennzeichen. Weitere Polizeiwagen hielten in kurzem Abstand hinter dem Alfa. Jonathan drehte sich um und sah, wie mehrere Polizisten direkt auf ihn zukamen. An einen Rückzug war nicht mehr zu denken.
Nach links und rechts führten auch keine Seitenstraßen mehr weg, in die Jonathan hätte ausweichen können. Er ließ den Blick in die Ferne schweifen. Hinter den Polizeifahrzeugen befand sich die große, vierspurige Küstenautobahn, und dahinter die Landungsbrücke, die in beiden Richtungen kein Ende zu nehmen schien. Auf der Autobahn staute sich der Verkehr auf sämtlichen Spuren. Die Wagen und Busse schoben sich mühsam voran und verpesteten mit ihren Auspuffgasen die ohnehin schwülwarme Morgenluft. Jonathan stand wie erstarrt und beobachtete die Polizeibeamten, die aus ihren Fahrzeugen stiegen und sich überall verteilten. Um ihn herum riss der Strom von Touristen nicht ab.
Was würde Emma in solch einer Situation
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