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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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müssen.
    »Vielleicht«, erwiderte Chagall. »Aber ich hatte gehofft, dass Sie mir mehr verraten können.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen die eine oder andere Information geben.«
    Chagall nahm Graves' Arm und führte ihn zur Rückseite des Anwesens. »Wie ist der Mörder in Roberts Wohnung gekommen?«
    »Durch den Keller«, sagte Graves.
    »Aber Roberts Wohnung liegt im fünften Stock. Und dann die Sicherheitsvorkehrungen - die modernsten Alarmanlagen, die besten Wachleute ...«
    »Der Mörder ist durch einen alten Wäscheschacht in die Wohnung gelangt. So konnte er sich unbemerkt im Gebäude bewegen.«
    »Wer war es? Ich muss den Namen wissen.«
    »Das darf ich Ihnen leider nicht verraten. Die Ermittlungen laufen noch.«
    »Tatsächlich?« Chagall warf ihm einen abschätzenden Blick von der Seite zu, als fragte er sich, wie viel Graves für diese Information verlangen würde. Zehntausend Pfund? Fünfzigtausend? Hunderttausend?
    »Sobald wir jemanden verhaftet haben, werden Sie den Namen erfahren«, sagte Graves.
    »Wird es bald so weit sein?«
    »Das hoffen wir.«
    Chagall führte ihn an gestutzten Sträuchern vorbei, die die Gestalt von Zirkustieren besaßen: Elefant, Löwe und Tanzbär. Gelegentlich konnte man im Schatten der dicken Steinmauer, die das Grundstück umschloss, mit Maschinenpistolen bewaffnete Leibwächter sehen, die zu zweit ihre Runden drehten. Innerhalb von fünf Minuten hatte Graves drei Wachmannschaften und sechs Überwachungskameras gezählt. Der Palast glich eher einer Festung als einem Zuhause.
    »Sagen Sie, Mr. Chagall, waren Sie und Lord Russell schon lange befreundet?«, fragte Graves.
    »Lange genug. Er war von Natur aus skeptisch. Er ließ sich nicht täuschen wie alle anderen.«
    »Wovon täuschen?«
    »Schauen Sie sich um. Sie sehen doch die Bewaffneten, nicht wahr? Meine kleine Privatarmee. Was halten Sie davon? Robert ließ sich von ihnen nicht täuschen.«
    Sie ließen den parkähnlichen Garten hinter sich. Vor ihnen befanden sich Wirtschaftsgebäude mit großen grünen Stalltüren. Das Geräusch eines aufheulenden Wagenmotors drang von irgendwo aus dem Inneren bis zu ihnen.
    »Wir besitzen Aufnahmen von Ihrem Wagen, als er in der Nacht von Lord Russells Ermordung vor dessen Club parkte. Nachdem Sie sich mit Russell im Club getroffen hatten, ist er auf direktem Weg in die Victoria Street gefahren - dorthin, wo der Bombenanschlag auf Innenminister Iwanow verübt wurde. Haben Sie eine Erklärung, weshalb Russell so spät in der Nacht dorthin gefahren ist?«
    »Diese Teufel!«, spie Chagall voller Verachtung hervor. »Diese abgrundtief schlechten Menschen! Ich fürchte, Sie wissen gar nicht, mit wem Sie sich anlegen, Captain Graves. Diese Leute tragen elegante Anzüge, sprechen hervorragend Englisch und benehmen sich wie kultivierte, gebildete Leute, mit denen man sich arrangieren kann - so, wie Mrs. Thatcher es vor zwanzig Jahren über Gorbatschow gesagt hat. Aber das zu glauben ist naiv. Diesen Männern darf man nicht trauen, und sich mit ihnen zu arrangieren ist absolut unmöglich. Russland ist aus einem Sumpf entstanden. Wir haben zehn Jahrhunderte lang um unsere Existenz gekämpft. Wir waren stets das Armenhaus Europas, unwissend und abergläubisch. Und plötzlich sind wir auf das Zaubermittel gestoßen, das uns retten kann. Wissen Sie, wovon ich rede?«
    »Öl«, sagte Graves.
    »So ist es«, bestätigte Chagall. »Öl. In Russland befinden sich die zweitgrößten Ölvorkommen der Welt. Aber die Männer, die heutzutage die Ölkonzerne kontrollieren, wollen sämtliche Gewinne selbst einstreichen und denken nicht im Traum daran, mit anderen zu teilen. Anstatt unsere Bohrinseln mit Hilfe westlicher Geschäftspartner zu modernisieren, lassen diese Leute sie lieber verrotten. Anstatt neue Ölquellen zu suchen, bewachen sie lieber die alten wie eifersüchtige Hennen ihre Nester. Unser größtes Problem besteht darin, dass die Männer, die die Bodenschätze unseres Landes kontrollieren, keine Geschäftsleute sind. Sie sind Spione, und Spione sind paranoid und dumm. Sie blicken immer nur ängstlich nach hinten und schauen niemals nach vorn. Sie behaupten, Patrioten zu sein, die ihr Leben für ihr Heimatland aufs Spiel setzen. Wenn Sie mich fragen, Captain Graves, gibt es keine gefährlicheren Menschen als Patrioten.«
    Inzwischen hatten sie die Wirtschaftsgebäude erreicht. Das dröhnende Motorengeräusch drang jetzt noch lauter an ihre Ohren. Jemand schien ein Gaspedal durchzutreten,

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