Getäuscht - Thriller
garantiert den Schweiß auf die Stirn treiben werden.«
Jonathan lächelte. Jamie schien noch ganz der Alte zu sein. »Erzähl, wie ist es dir so ergangen?«
»Alles in allem nicht schlecht«, erwiderte Meadows. »Seit sechs Jahren habe ich meine eigene Praxis. Ich habe mich auf kosmetische Chirurgie spezialisiert. Gesicht, Brüste, Hintern - das volle Programm. Aber der Tag ist nie lang genug. Ich habe ein Operationszimmer in der Praxis.«
»Ich dachte, es hätte dich als Notaufnahmearzt ins Waliser Hinterland verschlagen.«
»Nicht nach Wales, nach Cornwall«, sagte Meadows. »Aber ich habe keine sechs Monate durchgehalten. Nicht bei unserer Regierung. Von denen ist keiner bereit, die OP-Kosten für eine neue Niere zu erstatten, ganz zu schweigen von neuen Titten. Wie hätte ein ehrgeiziger Mann wie ich dort überleben können?« Er legte Jonathan die Hand auf die Schulter und zog ihn näher zu sich. »Das Angebot mit meiner Praxis war übrigens ernst gemeint. Ich habe viel Platz, wenn du dich mal neu orientieren willst. Du musst zwar viele Überstunden schieben, aber die Bezahlung kann sich sehen lassen. Prudence und ich haben uns gerade erst eine kleine Hütte in St. Tropez gekauft.«
»Ich wusste gar nicht, dass es in St. Tropez Hütten zu kaufen gibt.«
»Doch. Sie knüpfen dir eine Million dafür ab und nennen sie Villa.«
Beide warfen sich einen abschätzenden Blick zu und fragten sich, wie sehr der andere sich im Laufe der Zeit verändert haben mochte. In seinem Blazer und der abgetragenen Flanellhose kam Jonathan sich ziemlich schäbig vor, war sogar ein wenig verunsichert neben Jamie Meadows, der einen maßgeschneiderten Anzug aus der Saville Row trug und so blank geputzte Schuhe, dass Jonathan sich darin spiegeln konnte.
»Mann, was haben wir dich gehasst«, sagte Meadows. »Du warst besser als der ganze Kurs zusammen und obendrein noch ein verfluchter Yankee. Und um das Ganze zu toppen, setzt du dich mit deiner Arbeit immer noch für Arme und Benachteiligte ein, so, wie wir alle es uns mal geschworen hatten, bis wir dem Lockruf des Geldes erlegen sind. Sei ehrlich: Bist du wirklich glücklich damit?«
Jonathan nickte. »Ja.«
»Das glaube ich dir sogar.« Meadows lächelte, aber es war ein schwermütiges Lächeln. »Du bist immer noch Single?«, fragte er nach einer kurzen Pause im vertraut kecken Tonfall. »Hast du nie geheiratet? Du warst damals schon enthaltsamer als jeder Mönch in Oxford. Hast dich tagaus, tagein immer nur im Krankenhaus verkrochen.«
»Ich bin verheiratet«, sagte Jonathan. »Ich habe meine Frau ein paar Monate nach unserem Abschluss kennen gelernt. Leider konnte sie mich heute nicht begleiten.«
»Ist sie in diesem Lager in Kenia geblieben? Turkana, nicht wahr?«
Jonathan antwortete, ohne zu zögern, und war erstaunt, wie leicht ihm das Schwindeln fiel. »Nein, sie ist auf Besuch bei Freunden. Sie hasst diese Art von Veranstaltungen noch mehr als ich.« Er lächelte. »Und was ist mit dir? Hast du Kinder?«
»Drei Mädchen. Acht, fünf und ein Jahr alt. Der größte Schatz, den ein Mann sich wünschen kann. Alle drei.« Meadows reckte sich unvermittelt und winkte jemandem. »Da ist sie ja. Prudence, meine Angetraute. Hast du sie in Oxford kennen gelernt, Jonathan? Sie hat ihr Chemiestudium im St. Hildas mit Auszeichnung abgeschlossen und bei Butlers auf der High Street gearbeitet. Prudence, hier sind wir!«
Jonathan entdeckte eine schlanke dunkelhaarige Frau, die in ihre Richtung winkte und sich durch die Menge einen Weg zu ihnen bahnte.
»Prudence, das ist Jonathan«, sagte Meadows und gab seiner Frau zur Begrüßung einen Kuss. »Sag ihm, dass er genauso auseinandergegangen ist wie ich. Du musst keine Rücksicht auf seine Gefühle nehmen. Er kann mehr wegstecken, als es den Anschein hat.«
»Du siehst großartig aus«, sagte Prudence und reichte Jonathan die Hand. »Jamie hat sich sehr darauf gefreut, dich wiederzusehen.«
Jonathan musterte die Frau, erstaunt über die vertrauliche Anrede. Prudence Meadows war hübsch, mit schönen braunen Augen, aber nicht übermäßig auffällig. Er überlegte angestrengt, ob er ihr damals in Oxford begegnet war, aber es war zu lange her.
»Prudence hat deinen Namen im Programmheft entdeckt, Jonathan«, sagte Jamie. »Ich selbst wusste gar nicht, dass du hier bist.«
»Lügner«, sagte Prudence. »Wir sind seit Monaten angemeldet und haben uns riesig auf diese Gelegenheit gefreut.«
»So lange schon?« Meadows ließ die
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