Getäuscht - Thriller
kann? Heutzutage ist jeder normale Durchschnittsbürger ein Spion, den meisten ist es nur nicht bewusst. Der Schlüssel für die Zukunft befindet sich im Hier und Jetzt - in den Informationen, die in diesem Moment ausgetauscht werden. Das war Roberts Arbeit. Er hat ein tragfähiges Netzwerk zwischen einzelnen Personen gegründet, die Informationen für ihn gesammelt haben.«
»Wollen Sie damit sagen, Russell war ein Spion?«
»So etwas habe ich nie behauptet. Oxford Analytica ist kein Geheimdienst im klassischen Sinne. Robert hat lediglich eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe er präzise und aktuelle Informationen zusammentragen konnte, die für unsere Kunden von großem Interesse waren. Seine besondere Leistung bestand darin, ein Netzwerk hochrangiger Leute aufzubauen, die ihm unter der Hand Informationen zukommen ließen.«
»Und wer waren seine Informanten?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht der brasilianische Verteidigungsminister. Der Finanzchef eines Goldminen-Konglomerates in Südafrika. Ein russischer General in Tschetschenien. Jeder, der über eine strategisch wichtige, aktuell bedeutsame Information verfügt. Der springende Punkt ist, dass jede beliebige Person mit Zugang zu privaten Informationen diese mit der heutigen Technologie jederzeit anonym in Umlauf bringen kann.«
»Sie reden von heiklen Informationen.«
»Für gewöhnlich, ja.«
»Die an den Meistbietenden verkauft werden.«
»Wenn Sie uns unsaubere Machenschaften unterstellen wollen, liegen Sie völlig falsch«, erwiderte Cairncross scharf. »Die Welt hat sich grundlegend gewandelt. Grenzen gehören der Vergangenheit an. Informationen verbreiten sich nicht in klar abgesteckten Räumen und Gebieten. Sie sind globalisiertes Allgemeingut.«
»Trotzdem besaß Lord Russell eine Pistole, um sich gegen Leute mit weniger demokratischen Ansichten zu verteidigen.«
Cairncross schien darauf keine Antwort zu haben.
»Wenn ich Sie recht verstehe«, fuhr Kate fort, »ist Russell im Zuge seiner öffentlichen Geheimdienstarbeit, der er nicht im Auftrag der britischen Regierung nachgegangen ist, auf etwas gestoßen, was er besser nicht weiterverfolgt hätte.«
Cairncross nahm die Gleitsichtbrille ab und polierte sie mit einem Stofftaschentuch. »Die Ereignisse der vergangenen Nacht scheinen für Ihre Behauptung zu sprechen«, sagte er betont gelassen, vermied es jedoch, Kate dabei anzuschauen.
»Hat Lord Russell Ihnen gegenüber eine Andeutung gemacht, womit er sich gerade befasst hat?«
»Nur tangential.«
»Tangential?«
»Ja. Peripher, sozusagen.«
Kate stieß einen lauten Seufzer aus. »Mr. Cairncross, mich interessieren weder Ihre tangentialen und peripheren Andeutungen noch Ihre Global Stress Point Matrix. Ich interessiere mich nur für Fakten. Hat Lord Russell Ihnen mitgeteilt, was er wusste? Ja oder nein?«
Cairncross polierte unaufhörlich seine Brille. »Robert hat mir gegenüber erwähnt, dass er auf etwas gestoßen ist, das ihn sehr beunruhigte. Er sagte, für die Lösung des Problems stünde nur ein sehr begrenzter Zeitrahmen zur Verfügung und dass er bei seinen Nachforschungen mit erbittertem Widerstand rechne. Mehr weiß ich nicht. Ich fürchte, das wird Ihnen nicht viel helfen, nicht wahr?«
»Hat er Andeutungen über irgendeine Bedrohung gemacht? Oder einen Anschlag auf britischem Boden? Irgendetwas, das seine Ermordung erklären könnte?«
»Du meine Güte, nein«, sagte Cairncross und schien ehrlich überrascht zu sein. »Nichts dergleichen. Vor ein paar Jahren hat er uns Hinweise über einen Anschlag auf den libanesischen Regierungschef geliefert. Ich kann Ihnen versichern, dass wir diese Informationen in Rekordzeit an die zuständigen Behörden weitergeleitet haben.«
»Soviel ich weiß, ist der libanesische Regierungschef bei einem Bombenattentat in einem Flugzeug über Beirut ums Leben gekommen«, erwiderte Kate.
»Das stimmt«, gab Cairncross zu. »Unsere Warnung kam zu spät, um dem Mann das Leben zu retten. Doch abgesehen davon bewegte sich Roberts Arbeit ausschließlich im akademischen Rahmen.«
»Hat er jemals eine Person mit Namen Mischa erwähnt? Soweit ich weiß, ist das eine Kurzform von Mikhail. Beide Namen stammen aus Russland.«
»Ich kenne niemanden, der Mischa heißt. Bedaure.«
»Haben Sie schon mal von Victoria Bear gehört?«
Cairncross schüttelte den Kopf. »Nein. Darf ich fragen, wie Sie auf diese Namen gekommen sind?«
Kate lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
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