Geteiltes Geheimnis
Bratkartoffeln, ich brauche Speck, ich brauche Toast«, sagte er und küsste meinen Nacken. »Und ich brauche dich.«
Das hier war keine Fantasie. Es war real. Sieh nur, was geschieht, wenn du nicht mehr alles zu kontrollieren versuchst und etwas Raum schaffst , dachte ich. Die ganze weite Welt steht dir offen.
»Du hast meine Gedanken gelesen. Lass uns gehen.«
NEUNZEHN
Cassie
Tracina suchte den Namen des Babys, Rose Nicaud, zu Ehren des Cafés aus, das selbst nach einer der ersten afro-amerikanischen Unternehmerinnen in New Orleans benannt war.
» Wir werden sie Neko nennen«, sagte sie zärtlich zu der winzigen Stirn, die nicht größer war als ein Silberdollar.
Das Baby als klein zu bezeichnen hätte nur einen Teil dessen beschrieben, was sein Aussehen so ungewöhnlich machte. Das Mädchen war fast durchsichtig; ein Geflecht zierlicher rosafarbener Adern bedeckte ihr ganzes Gesicht und ihren Körper wie ein blasses Netz. Wenn sie nicht auf dem Arm gehalten wurde, lag sie in einem tragbaren Inkubator neben Tracinas Bett. Eine Windel von der Größe einer Kaffeetasse umhüllte fast vollständig den unteren Körperbereich. Die Fäuste waren nicht größer als Rosenknospen.
Tracina hatte ein Einzelzimmer, weil ihr Baby einen wohlhabenden Vater hatte. »Der Arzt sagt, dass sie ganz gesund ist«, flüsterte Tracina mir zu – nicht weil sie leise sein wollte, sondern weil sie durch das Geschrei bei der Geburt ihre Stimme verloren hatte. Sie hatte sowohl Carruthers als auch Will erlaubt, im Kreißsaal anwesend zu sein. Nur für alle Fälle.
Jetzt hatte sich Carruthers, der scheinbare Sieger, in krankenhausgrünem Kittel und Kappe auf einem riesigen Sessel häuslich eingerichtet. Anzug, Weste und Krawatte lagen im ganzen Zimmer verstreut. Wenn er schlief, ruhte eine Hand schützend auf dem Glasdeckel des Inkubators.
»Ich muss vielleicht noch ein paar Tage hierbleiben, aber eigentlich sollte es keine Komplikationen geben«, sagte Tracina.
Zumindest keine medizinischen.
Alles andere erfuhr ich erst später, als Tracina und ich in den Wochen und Monaten nach der dramatischen Geburt eine Art Freundschaft aufbauten. Da entdeckte ich, dass wir deutlich mehr Gemeinsamkeiten hatten, als ich ursprünglich gedacht hatte.
Sie berichtete, dass sie eigentlich einen Kaiserschnitt hatte haben wollen, weil sie so viel Angst vor der Geburt hatte. Allerdings wusste sie, dass es, sobald das Kind da war, einen Vaterschaftstest geben würde. Und sie hatte Wills Schmerz so weit wie möglich hinauszögern wollen. Niemand bezweifelte, dass sie Will sehr mochte, aber während der Entbindung und danach wurde offensichtlich, dass Carruthers der Mann war, den sie liebte. Doch sie hatte das Gefühl, dass Will einen besseren Vater abgeben würde: zuverlässiger, zupackender, weniger kompliziert in seiner Liebe zu dem Baby. Carruthers war ein mächtiger Politiker; er hatte eine Ehefrau (bald Exfrau) und zwei Kinder im Schulalter. Und doch war es anrührend, wie er die ganze Nacht an Tracinas Seite blieb, wie er sich hinausschlich, um Telefonate entgegenzunehmen, wie er sogar sein Bestes versuchte, um Will einigermaßen freundlich zu behandeln, obwohl Will wirklich Mühe hatte, diese Geste zu erwidern.
Deshalb hatte sie all die Lügen erzählt. Tracina wollte genauso wenig wie ich die Beziehung eines anderen Menschen zerstören. Obwohl Carruthers von Anfang an sehr leidenschaftlich gewesen war, wollte er sich zunächst einfach nicht von seiner Frau trennen. Tracina wusste, wie leicht sie in die Rolle der Geliebten fallen konnte, und wollte das vermeiden. Es lag ihr einfach nicht, sich stets zu verbergen und zu lügen, besonders nicht, da Trey zu einem klugen Jungen heranwuchs und ein guter Mann wie Will zur Verfügung stand. Also trennte sie sich von Carruthers. Dann entdeckte sie, dass sie schwanger war. Sie selbst war ohne Vater aufgewachsen, deshalb wollte sie alles in ihrer Macht Stehende tun, damit ihr Baby einen Vater hatte. Und sie glaubte, solange sie den Mund hielt, würde nur jemand, der weder ihren noch Wills Stammbaum kannte, die Vaterschaft anzweifeln, weil das Baby vielleicht eine deutlich andere Farbe hatte als Will. Sie hatten beide afro-amerikanische Großmütter; Tracina hatte weiße Verwandte. Die Hautfarbe des Kindes würde – wie die ihrer Eltern – das Ergebnis einer segensreichen Mischung unterschiedlichster Farbtöne sein.
Doch dann wurde ein Bluttest durchgeführt, und die Resultate kamen sofort. Wenn Will mit
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