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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Bear.
    Perry blieb noch einen Augenblick stehen und kämpfte gegen das Verlangen an, Aria auf die Wange zu küssen. Sosehr er auch dem Stamm gegenüber offen sein wollte, was sie beide betraf, erschien ihm eine Zurschaustellung von Gefühlen jetzt dennoch nicht angebracht. Mit einem letzten Blick auf die makellose Haut ihres Arms kehrte er zu seinem Tisch an der Stirnseite der Halle zurück. Das Tätowieren würde mehrere Stunden dauern, und er wollte nicht in ihrer Nähe herumstehen. Es tat zwar nicht furchtbar weh, aber er wusste, dass jedes Unbehagen, das Aria empfand, auch ihn schmerzen würde.
    Er setzte sich auf Vales alten Platz am Haupttisch, der am anderen Ende des Kochhauses auf einem Podest stand. Mit Roar und Cinder an seiner Seite und den Sechs, die sich um sie herumscharten, kam er sich zwar viel zu sehr wie der Kriegsherr vor, der sein Bruder immer gewesen war – Vale hatte Zeremonien und große Auftritte geliebt, aber es ging ja heute Abend auch um eine Zeremonie.
    Von der anderen Seite des Tisches lächelte ihn ein Mann mit strähnigen Haaren an und zeigte dabei mehr Zahnlücken als Zähne. »Peregrine, was für eine stattliche Erscheinung … Ich kann es kaum glauben.«
    Der Händler, der am frühen Nachmittag eingetroffen war, kam jedes Frühjahr ins Dorf, um alle möglichen Dinge zu verkaufen. Münzen, Löffel, Ringe und Armreife waren an Ketten befestigt und hingen wie Seetang an seinem Mantel. Das ganze Zeug musste mindestens so viel wiegen wie er selbst, war aber im Grunde nur eine Tarnung für sein wirkliches Geschäft – Klatsch und Tratsch.
    Perry nickte ihm zu. »Shade.« Da die Tätowierung bereits im Gang war und er Zeit totschlagen musste, war das hier eine gute Gelegenheit, ein paar Neuigkeiten zu erfahren, bevor er morgen früh mit Aria aufbrechen würde.
    »Was für ein
strahlender
junger Kriegsherr du doch bist«, schmeichelte ihm Shade. Er betonte das Wort ganz besonders, sog seinen Klang ein, als sauge er das Mark aus einem Knochen.
    Aus dem Augenwinkel sah Perry das Grinsen, das sich auf Roars Gesicht ausbreitete. Perry freute sich schon darauf, wenn sein bester Freund den Händler nachmachen würde.
    »Wie
sehr
du doch deinem Bruder und deinem Vater ähnelst«, fuhr Shade fort. »Jodan war ein großartiger Mann.«
    Perry schüttelte den Kopf. Sein Vater, ein großartiger Mann? Vielleicht für manche. Vielleicht in mancher Hinsicht.
    Sein Blick wanderte zur Feuerstelle, wo Bear zusammen mit Aria am Tisch saß. Mit einem Stück Holzkohle zeichnete er die geschwungenen Linien der Horcherin auf ihren Bizeps, die er dann mit Tinte in ihre Haut stechen würde. Aria starrte mit geistesabwesendem Blick ins Feuer. Perry stieß seinen angehaltenen Atem zwischen den Zähnen hervor; er wusste nicht genau, was ihn beunruhigte. Schließlich war er schon Dutzende Male bei Tätowierungen dabei gewesen.
    »Nur zu, Shade«, forderte er den Händler auf. »Lass hören, welche Neuigkeiten du hast.«
    »Es scheint, als würde Geduld nicht zu deiner
beeindruckenden
Liste von Tugenden gehören«, bemerkte Shade.
    »Stimmt. Beherrschung genauso wenig.«
    Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Klatschmauls. Einer seiner Vorderzähne stand seitlich ab, wie eine offene Tür. »Das will ich wohl glauben. Ich bewundere dich
ungeheuer
, aber da bin ich nicht der Einzige. Die Nachricht über deine Kampfansage hat sich überall verbreitet. Wie schwer muss es gewesen sein, das Blut deines Bruders zu vergießen. Nur wenige Männer haben die Stärke, eine solch gnadenlose – verzeih mir –, eine so
selbstlose
Tat zu begehen. Und das alles wegen deines Neffen, wie ich hörte. Ein liebes Kind, dieser Talon. Ein lieber, lieber Junge. Es heißt auch, du hättest eine Bande von sechzig Krähern zur Strecke gebracht. So ein junger Kriegsherr, der sich dennoch bereits einen Namen gemacht hat, Peregrine von den Tiden.«
    Perry hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, aber Reef war schneller und setzte seinen Fuß mit einem lauten Stampfen auf die Bank neben Shade. Dann beugte er sich zu dem heruntergekommenen Mann hinunter. »Ich könnte das Ganze beschleunigen.«
    Shade fuhr zusammen und schaute ängstlich auf Reefs Narbe. »Nicht nötig. Verzeiht. Ich wollte keinem zu nahe treten. Eure Zeit muss kostbar sein, besonders wegen des Sturms letzte Nacht. Ihr seid aber nicht die Einzigen, die so spät im Jahr den Äther zu spüren bekommen. Die südlichen Territorien haben besonders unter ihm zu leiden. Überall

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