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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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aufhalten. Mit einem steifen Bein würde sie im Grenzland nicht lange überleben.
    Wylans Cousin tauchte aus der Menge auf. Ein kräftiger, vierzehnjähriger Horcher, den Perry sehr mochte. Hinter ihm erschien einer von Wylans Onkeln, dann der Rest der Familie.
    Viele schlossen sich ihnen an. Erst zehn, dann zwanzig und mehr. So viele, dass Perry sich schon auf einer leeren Lichtung sah. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit schwindelerregender Erleichterung, die aber schon im nächsten Augenblick wieder verschwunden war. Er gehörte hierher, war dazu bestimmt, die Tiden zu führen.
    Als endlich niemand mehr aus dem Dorf hinauszog und auf der Lichtung wieder Ruhe einkehrte, schaute er sich um und wartete eine Weile, um sicherzugehen, dass er sich das, was gerade passiert war, nicht nur eingebildet hatte. Die Menschenmenge war ausgedünnt, als sei sie zurechtgestutzt worden.
    Mindestens ein Viertel seines Stammes war nicht mehr da.
    Er schaute in die Gesichter all der Menschen, die treu zu ihm standen. Unter den Verbliebenen sah er Molly, Bear und Brooke. Rowan und Old Will. Er wünschte sich Vales Talent als Redner, suchte nach den richtigen Worten, aber er fand sie nicht.
    Er fürchtete, schwach zu wirken, wenn er ihnen für ihre Loyalität dankte – obwohl er dankbar
war
. Und er würde sich nicht für das entschuldigen, was er getan hatte. Es war sein Land, und es war seine Pflicht, dessen Bewohner zu beschützen: Siedler, Außenseiter und alle anderen.

    Als der Stamm – oder das, was von ihm übrig war – wieder seine regelmäßige Arbeit aufgenommen hatte, setzte Perry sich mit Bear und Reef im Kochhaus zusammen. Sie hockten sich an den Tisch gleich neben der Tür und listeten die Namen all derer auf, die gegangen waren, und welche Aufgaben sie im Stamm gehabt hatten. Bear schrieb langsam – der Stift wirkte in seinen kräftigen Händen wie ein Strohhalm, während er ihn über das Papier bewegte. Jeder notierte Name war wie ein erneuter Verrat.
    Perry wusste nicht, was er falsch gemacht hatte. Lag es daran, dass er während des Sturms ins Wasser gesprungen war, um Old Will zu retten? War es sein Kampf mit Gray gestern Abend gewesen? Sein Plan, mit Aria nach Norden zu ziehen, um die Blaue Stille zu suchen? Alles fühlte sich gerechtfertigt und richtig an. Er begriff nicht, wodurch er sie enttäuscht hatte.
    Als sie mit der Liste fertig waren, saßen sie da und schwiegen. Bear hatte die Namen von zweiundsechzig Leuten aufgeschrieben, aber diese Zahl verriet nur die halbe Wahrheit. Wie Perry vermutet hatte, waren viele von ihnen mit einem besonders ausgeprägten Sinn begabt. Aber auch diejenigen ohne Zeichnungen waren fähige und ausgebildete Kämpfer. Dagegen gingen die Jungen, die Alten und die Schwachen selten aus eigenem Antrieb.
    Reef seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir haben die Kritiker aussortiert. Ich bin verdammt froh, ein paar von ihnen los zu sein. Langfristig wird uns das stärken.«
    Bear legte den Stift hin und fuhr sich über den Bart. »Was mir Sorge macht, ist die
kurzfristige
Zukunft.«
    Perry musterte ihn. Was sollte er sagen? Es war die Wahrheit. »Sobald sich diese Neuigkeit verbreitet, sind wir noch anfälliger für Angriffe. Wahrscheinlich ist Shade bereits irgendwo da draußen und erzählt es jedem, dem er begegnet.«
    »Wir sollten die Nachtwache verdoppeln«, schlug Reef vor.
    Perry nickte. »Ja, mach das.« Sein Blick wanderte durch die Halle. Innerhalb von zwei Tagen hatten die Tiden einen unerwarteten Äthersturm, einen Anschlag auf Arias Leben und eine Rebellion erlebt. Stand ihnen jetzt auch noch ein Überfall bevor? Er wusste, dass es so kommen würde. Mit oder ohne doppelte Nachtwachen – sie waren einfach zu anfällig. Es würde ihn nicht wundern, wenn Wylan zurückkommen und versuchen würde, das Dorf anzugreifen.
    Die Lichtung wirkte allzu ruhig und leer, als Perry nach Hause ging. Er wollte unbedingt nach Aria sehen. War sie stark genug, um nach Norden aufzubrechen? Reefs Worte der letzten Nacht gingen ihm durch den Kopf.
Die Tiden brauchen
dich hier
. Wie konnte er sie jetzt allein lassen? Doch wie konnte er bleiben, wenn die Antwort auf die Frage nach einer sicheren Zukunft für den ganzen Stamm vielleicht dort draußen lag?
    Als er das Haus betrat, schrien Gren und Twig einander vor Vales Schlafzimmer an, verstummten bei seinem Anblick aber abrupt.
    »Per …«, setzte Twig schuldbewusst an, »wir haben überall gesucht …«
    Perry stürmte an ihnen

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