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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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wollten eine Sammlung für Talon anlegen; jeder von uns sollte eine Figur für ihn schnitzen. Liv schnitt sich schon nach fünf Minuten in den Finger.« Bei der Erinnerung daran lächelte er matt. »Im Umgang mit dem Messer ist sie einfach zu brachial. Überhaupt keine Finesse. Sie und ich haben nach kurzer Zeit aufgegeben, aber Perry hat weitergemacht. Für Talon.«
    Aria fuhr mit dem Daumen über die glatte Oberfläche. Jeder der vier hatte den Falken, den sie jetzt in der Hand hielt, schon einmal berührt. Würden sie je wieder zusammen sein – sie alle?
    Die nächste Stunde verbrachte sie damit, sich an die Geräusche des Waldes zu gewöhnen und die Figur in ihrer Hand zu betrachten, während sie die erste Wache übernahm und Roar einschlief. Da draußen strichen Wölfe umher, Gruppen von Versprengten und Kannibalen. Sie konzentrierte sich auf das Rauschen des Windes und das Rascheln von Tieren, horchte so lange, bis sie sich davon überzeugt hatte, dass sie sich in Sicherheit befanden. Dann legte sie den Falken weg und holte ihr Smarteye hervor.
    Drei Tage waren inzwischen vergangen, seit sie mit Hess am Strand Kontakt aufgenommen hatte. Sie warf Roar, der friedlich schlief, einen kurzen Blick zu und legte das Eye an. Es sog sich an der Haut um ihr Auge fest, als die Biotech aktiviert wurde und der Smartscreen erschien.
    Aria wählte das Hess-Icon und spürte dann den vertrauten Ruck der Bilokalisierung, als ihr Gehirn sich darauf einstellte, gleichzeitig hier
und
dort zu sein. Unmittelbar darauf fand sie sich in einem Café in einer venezianischen Welt wieder. Gondeln glitten nur wenige Schritte entfernt über den Canal Grande, und auf dem funkelnden, klaren Wasser trieben Rosenblätter. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, golden und warm. Irgendwo spielte ein Streichquartett, das sich dünn und blechern anhörte.
    Dann erschien Hess auf der anderen Seite des kleinen Tisches. Dieses Mal hatte er seine Kleidung verändert: Er trug einen cremefarbenen Anzug mit hellblauen Nadelstreifen und eine rote Krawatte. Er war gebräunt, sah jedoch seltsam aus. Der Sicherheitschef von Reverie wirkte durch den getönten Teint älter – oder eher seinem wahren Alter von weit über hundert Jahren entsprechend. Und seine Haut leuchtete fast orange. So ganz anders als Perrys bronzefarbene Haut.
    Hess runzelte die Stirn, als er Arias Kleidung bemerkte. Bevor sie etwas sagen konnte, spürte sie ein Zucken, als habe ihr gesamter Körper geblinzelt. Sie schaute an sich hinab und entdeckte ein königsblaues Seidenkleid, das sich wie eine zweite Haut an sie schmiegte.
    »Viel besser«, befand Hess und lächelte.
    Arias Herz schlug schneller vor Zorn. Ein Kellner kam mit einem Tablett an den Tisch. Er war dunkeläugig und attraktiv und hätte mühelos Roars Bruder sein können. Mit einem Lächeln stellte er zwei Tassen Kaffee auf den Tisch. Eine warme Brise wehte vorbei, trug den würzigen Duft von Eau de Cologne heran und spielte in ihren Haaren, die dadurch über ihren nackten Rücken streiften. Alles war so normal, sicher und nett. Nur ein Jahr zuvor hätte Paisley sie wegen des lächelnden Kellners unter dem Tisch kurz getreten. Caleb hätte von seinem Skizzenblock aufgeblickt und die Augen verdreht.
    Plötzlich erfasste Aria eine maßlose Wut darüber, wie
schwierig
ihr Leben inzwischen geworden war.
    Hess nippte an seinem Kaffee. »Geht es dir gut, Aria?«
    Wusste er, dass man sie zu vergiften versucht hatte? Konnte er das durch das Smarteye erkennen? An ihrer Körperchemie? »Es geht mir phantastisch«, entgegnete sie. »Und Ihnen?«
    »Einfach großartig«, sagte er ebenso sarkastisch. »Du hast dich also auf den Weg gemacht. Bist du allein unterwegs?«
    »Was kümmert Sie das?«
    Hess musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Wir haben einen Sturm in deiner Nähe bemerkt.«
    »Ich hab ihn auch bemerkt«, meinte Aria und grinste süffisant.
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Nein, das können Sie eben nicht. Ich muss wissen, was in Reverie vor sich geht, Hess. Wurde die Biosphäre vom Sturm heimgesucht? Hat es Schäden gegeben?«
    Er blinzelte sie an. »Du bist doch ein schlaues Mädchen. Was glaubst du denn?«
    »Es geht nicht darum, was ich glaube. Ich muss es
wissen
. Ich brauche Beweise dafür, dass es Talon gut geht. Ich will meine Freunde sehen. Und ich will wissen, was Sie vorhaben, wenn ich Ihnen sage, wo sich die Blaue Stille befindet. Werden Sie die gesamte Biosphäre dorthin verlegen? Wie wollen Sie das

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