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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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retten?
    Als er den Hügel hinaufkam, sah er, dass der Stamm ihn im Dorf erwartete. Die Leute verteilten sich und bildeten einen Kreis um ihn. Sie hatten die Lichtung mit Eimern voll Wasser abgespült, aber der Schlamm unter seinen Sohlen barg noch immer Spuren von Asche und Blut. Neben ihm reagierte Reef mit einem leisen Knurren auf den Geruch, der in der Nachmittagsluft hing. Nackte Angst brannte stechend in der Nase.
    Die Menschen wollten beruhigt werden und hören, dass sie in Sicherheit waren, das Schlimmste überstanden hatten, aber das konnte er ihnen nicht sagen. Bald würde sie der nächste Stamm überfallen. Ein weiterer Äthersturm würde aufziehen. Er konnte sie nicht anlügen. Außerdem war er ein lausiger Redner. Wenn er etwas Wahrhaftiges und Wichtiges zu sagen hatte, musste er einer Person dabei direkt in die Augen sehen können.
    Perry räusperte sich. »Es gibt viel zu tun, und es ist noch nicht zu spät, um sich an die Arbeit zu machen.«
    Die Tiden schauten einander unsicher an, aber dann machten sie sich daran, die Schutzmauern und Dächer auszubessern und alle anderen notwendigen Reparaturen durchzuführen.
    »Gut gemacht«, lobte Reef ihn leise.
    Perry nickte. Die Reparaturarbeiten würden sie mehr beruhigen als jede Rede, die er zu halten vermochte.
    Dann wurde es Zeit, seine eigenen Aufgaben zu erledigen. Er begann am westlichen Rand seines Stammesgebiets und arbeitete sich nach Osten vor. Er ging zu den Menschen in den Ställen, auf den Feldern und im Hafen, schaute ihnen in die Augen und sagte ihnen, wie stolz er auf ihre heutige Leistung war.
    Spät in der Nacht, als im Dorf schon längst Ruhe eingekehrt war, kletterte Perry auf das Dach seines Hauses. Er umfasste die schweren Glieder der Kette um seinen Hals, bis das kühle Metall zwischen seinen Fingern warm wurde. Zum ersten Mal fühlte er sich wie der Kriegsherr der Tiden.

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Aria
| Kapitel Zwanzig
    »Bereit?«, fragte Aria und wandte sich an Roar.
    Sie hatten am Snake River kampiert, dessen Lauf sie das letzte Stück bis zu den Hörnern folgen würden. Äste lagen über das kiesige Ufer verteilt, und das Wasser des breiten Flusses schimmerte glatt wie ein Spiegel, der den wirbelnden Ätherhimmel reflektierte. Den ganzen Nachmittag über waren Aria und Roar sehr schnell gegangen, um einem heranziehenden Sturm auszuweichen. Das Kreischen der Äthertrichter drang aus der Ferne an ihre Ohren und brachte die Haut in ihrem Nacken zum Kribbeln.
    Roar lehnte sich gegen seinen Beutel und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ja, schon seit dem Tag, an dem ich aufgewacht bin und Liz war verschwunden. Und du?«
    Die ganze letzte Woche waren sie Ranger’s Edge hinaufgestiegen, einen eisigen Gebirgspass, gesäumt von gezackten, steil aufragenden Gipfeln. Dank ihrer Fähigkeiten als Horcher war es Aria und Roar gelungen, Begegnungen mit anderen Menschen und Wölfen zu vermeiden, aber dem schneidenden Wind, der unablässig über den Pass pfiff, hatten sie nicht entkommen können. Dort oben herrschte anscheinend ewiger Winter. Mittlerweile waren Arias Lippen rissig und aufgeplatzt, sie hatte Blasen an den Füßen und vor Kälte taube Hände, aber morgen würden sie nach zwei Wochen endlich Rim erreichen.
    »Ja, ich bin bereit«, erklärte sie und versuchte dabei, zuversichtlicher zu klingen, als sie sich fühlte. Ihre Aufgabe war so gewaltig, dass sie fast verzagte. Wie sollte sie geheime Informationen aus Sable herausbekommen – einem Witterer, der Siedler verachtete? Einem Kriegsherrn, der niemandem das Geheimnis anvertraute, das er hütete?
    Aria dachte an Talon, dessen Beine über den Rand des Stegs baumelten. Wie sollte sie ihn befreien, wenn sie versagte? Würde es das Ende von Reverie bedeuten? Aria schüttelte den Kopf, um diese Sorgen zu vertreiben. So durfte sie nicht denken.
    »Glaubst du, Sable wird sich auf den Handel einlassen?«, fragte sie. Sie würden ihm erzählen, sie seien in Perrys Auftrag gekommen, der als neuer Kriegsherr der Tiden die Verlobung rückgängig machen wollte, die Vale ein Jahr zuvor arrangiert hatte. Außerdem wollten sie versuchen, ihm die Information über den Standort der Blauen Stille abzukaufen.
    »Die Tiden haben bereits die erste Hälfte der Mitgift angenommen. Perry kann Sable das nur in Form von Land zurückzahlen, aber da die Ätherstürme schlimmer werden, genügt das vielleicht nicht. Wer will schon neue Gebiete übernehmen, nur um sie dann brennen zu sehen?« Roar zog die Schultern hoch.

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