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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dir?« stieß Mort hastig hervor. »Leider bleibt mir nicht genug Zeit, um dir alles zu erklären. Ich habe es sehr eilig…«
    Der Abt stand auf und wich den anderen Mönchen nicht aus, als er sich Mort näherte. Ungerührt ging er durch sie hindurch.
    »Nicht so hastig!« bat er. »Nach dem Tod führe ich immer gern ein nettes Gespräch. Was ist mit dem anderen Burschen passiert?«
    »Dem anderen Burschen?« wiederholte Mort verwirrt.
    »Hochgewachsen. Schwarzer Mantel. Ziemlich mager. Um nicht zu sagen: dürr.«
    »Der andere Bursche?« fragte Mort noch einmal. »Meinst du Tod?«
    »So heißt er, ja«, erwiderte Abt Lobgesang fröhlich.
    Morts Kinnlade klappte herunter. »Du stirbst wohl recht häufig, was?«
    »Ja, in der Tat«, bestätigte der Abt. »Ziemlich oft. Wenn man sich daran gewöhnt hat, wird es zur Routine.«
    »Tatsächlich?«
    »Wir müssen jetzt los«, sagte der Abt.
    Mort schloß den Mund wieder. »Darauf wollte ich gerade hinweisen.«
    »Setz mich einfach unten im Tal ab«, fügte der kleine Mönch hinzu, trat an dem Jungen vorbei und ging in Richtung Hof. Mort starrte eine Zeitlang ins Leere, drehte sich dann ruckartig um, lief dem Toten nach und wußte, daß er erneut die Würde seines Amtes aufs Spiel setzte.
    »Hör mal …«, begann er.
    »Wenn ich mich recht entsinne, kam Gevatter Tod immer mit einem Pferd namens Binky«, sagte der Abt freundlich. »Bist du in seine Stiefel getreten?«
    »Stiefel?« fragte Mort und blinzelte.
    »Oder Fußstapfen. Besser noch: in die Abdrücke seiner Zehenknochen.« Der Abt seufzte. »Entschuldige bitte. Ich weiß nicht genau, wie solche Dinge bei euch organisiert sind, Junge.«
    »Mort«, sagte Mort geistesabwesend. »Ich bin noch in der Ausbildung. Mein Lehrmeister hat mir aufgetragen, deine Seele mitzunehmen«, fügte er in einem möglichst festen und gebieterischen Tonfall hinzu. Der Mönch wandte sich zu ihm um und lächelte nachsichtig.
    »Ich wünschte, ich könnte dich begleiten«, sagte er. »Nun, vielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit, dir Gesellschaft zu leisten. Wenn du mich jetzt bitte ins nächste Dorf bringen könntest… Ich glaube, ich werde gerade gezeugt.«
    »Gezeugt?« Mort schüttelte verwundert den Kopf. »Du bist eben gestorben.«
    »Ja, das schon«, gestand der Abt ein. »Aber, weißt du, ich habe eine Art Lebens-Abonnement.«
    Mort verstand allmählich, wenn auch langsam.
    »Oh«, machte er. »Manche Bücher berichten davon. So etwas nennt man Reinkarnation, nicht wahr?«
    »Das ist der richtige Ausdruck. Bisher bin ich dreiundfünfzigmal wiedergeboren worden. Vielleicht auch vierundfünfzigmal. Es ist schwer, die Übersicht zu behalten.«
    Binky sah auf und wieherte einen Pferdegruß, als ihm der Abt auf den Hals klopfte. Mort schwang sich in den Sattel und half Lobgesang beim Aufsteigen. Der Hengst trabte sofort los.
    »Es muß recht interessant sein«, sagte Mort. Die Meßskala der Plauderei wies dieser Bemerkung sicher einen tiefen Minuswert zu, aber ihm fiel nichts anderes ein.
    »Nein, nicht unbedingt«, widersprach der Abt. »Bestimmt glaubst du, ich könne mich an alle meine vorherigen Leben erinnern, aber das ist leider nicht der Fall. Erst nach dem Tod öffnen sich die verborgenen Pforten des Gedächtnisses.«
    »Wirklich bedauernswert«, sagte Mort.
    »Stell dir nur einmal vor, mehr als fünfzigmal zu lernen, nicht mehr in die Hose zu machen.«
    »Dürfte alles andere als angenehm sein«, kommentierte Mort voller Mitgefühl.
    »Kann man wohl sagen. Wenn's nach mir ginge, würde ich nicht mehr reinkarnieren. Wo bleibt der berühmte Seelenfrieden? Kaum ist man tot, geht's schon wieder von vorn los. Tja, und wenn ich den Dreh raus habe – ich meine, wenn ich endlich die Vorzüge eines guten Klos zu schätzen weiß –, kommen die Jungs aus dem Kloster und suchen nach einem Knaben, der gezeugt wurde, als der alte Abt starb. Wie phantasielos. Könntest du mal kurz halten?«
    Mort sah nach unten.
    »Wir sind hoch über dem Boden«, erwiderte er skeptisch.
    »Es dauert nicht lange.« Lobgesang glitt von Binkys Rücken, ging einige Schritte und schrie.
    Eine Zeitlang herrschte über den Berggipfeln ein ziemlicher Radau. Schließlich kehrte der Abt zurück und stieg wieder auf.
    »Du ahnst nicht, wie lange ich auf eine solche Gelegenheit gewartet habe«, sagte er.
    Einige Meilen vom Tempel entfernt, in einem kleinen Tal, standen die Hütten eines Dorfes, das für die Lauscher als eine Art Dienstleistungsbetrieb fungierte.

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