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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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überraschte es sie, als sie ihn in der Speisekammer sah, das Hemd geöffnet, in der rechten Hand eine dampfende Pfeife, in der linken einen bis zum Rand gefüllten Krug. Er rülpste leise.
    Zwei junge Frauen liefen kichernd an Keli vorbei, ohne ihr Beachtung zu schenken. Die Prinzessin ging weiter, kam sich in ihrem eigenen Schloß plötzlich wie ein Eindringling vor.
    Wofür es eine einfache Erklärung gab: Das Schloß gehörte ihr gar nicht. Die lärmende Welt um sie herum, die warmen Wäschereien und kühlen Trockenzimmer… All das gehörte sich selbst. Niemand konnte darauf Anspruch erheben. Es regierte als absoluter Souverän.
    Keli nahm eine Hähnchenkeule vom Tisch in der größten Küche, einer riesigen Kammer, in der Hunderte von Töpfen in langen Reihen von der Decke herabhingen – das Gewölbe sah aus wie ein Arsenal, in der sich Schildkröten mit neuen Panzern ausrüsten konnten. Als sie in das gebratene Fleisch biß, fühlte sie die typische Aufregung eines Diebs. Sie stahl! In ihrem eigenen Königreich!
    Der Koch sah direkt durch sie hindurch, mit Augen so trüb wie fleckiges Glas.
    Keli lief an den Ställen vorbei und durch das rückwärtige Tor. Zwei Wächter standen dort, und es gelang ihnen mühelos, die Prinzessin zu übersehen.
    In den Straßen der Stadt legte sich Kelis Unruhe ein wenig, obgleich sie sich noch immer seltsam nackt fühlte. Sie empfand es als zermürbend, Leute zu beobachten, die sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten und keine Anstalten machten, der Thronfolgerin alle Wünsche von den Lippen zu lesen. Keli war im Zentrum des Universums aufgewachsen und spürte nun, wie sie allmählich zum Rand abgedrängt wurde. Fußgänger stießen gegen sie, prallten ab und fragten sich verblüfft, was für ein Hindernis ihnen den Weg versperrte. Mehrmals mußte Keli Karren ausweichen, die direkt auf sie zurumpelten.
    Das Stück Hühnchen konnte nicht die Leere in ihrem Magen füllen, der mit beharrlichem Knurren auf das versäumte Mittagessen hinwies. Sie ließ zwei Äpfel unter ihrem Umhang verschwinden und nahm sich vor, später dem Kämmerer Bescheid zu geben: Wenn er herausgefunden hatte, was Äpfel kosteten, sollte er dem Obsthändler das ihm zustehende Geld schicken.
    Als Keli das Haus des Zauberers erreichte, war ihr Haar zerzaust, und der Mantel wies einige sehr unangenehme Flecken auf. Außerdem roch sie ein wenig nach Pferdedung. Der Türklopfer bereitete ihr einige Probleme. Bisher hatte sie die Erfahrung gemacht, daß sich Türen von ganz allein öffneten, und bei besonders widerspenstigen Exemplaren halfen Bedienstete nach.
    Aufgrund ihrer Verzweiflung bemerkte sie nicht, daß der Klopfer anzüglich zwinkerte.
    Erneut pochte sie an die Tür und glaubte, ein dumpfes Klirren zu hören. Nach einer Weile schwang die Pforte einige Zentimeter weit auf, und Keli sah ein rundes Gesicht mit roten Flecken. Über der Stirn wuchs lockiges Haar.
    Ihr rechter Fuß überraschte sie, indem er sich klugerweise in den Spalt schob.
    »Ich verlange, den Zauberer zu sprechen«, verkündete Keli. »Und zwar sofort.«
    »Er ist derzeit beschäftigt«, erwiderte das Gesicht. »Möchtest du vielleicht ein Leidenschaftselixier?«
    »Ein was?«
    »Ich… Äh, wir haben heute Schneidguts Ichmachdichfit-Salbe im Angebot«, fügte das Gesicht hinzu und lächelte bedeutungsvoll. »Sorgt für ordentlichen Hafer und stellt die Ernte sicher, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Keli räusperte sich entrüstet. »Nein, ich verstehe dich nicht«, log sie.
    »Muntermacher? Jungfrauentraum? Erfüller unerfüllter Sehnsüchte? Belladonna-Augentropfen?«
    »Ich verlange…«
    »Tut mir leid, wir haben geschlossen«, sagte das Gesicht und schloß die Tür. Keli zog den Fuß gerade noch rechtzeitig zurück.
    Sie murmelte einige Worte, die ihre Schloßlehrer sowohl erstaunt als auch entsetzt hätten, ballte die Faust und hämmerte ans Holz.
    Der Rhythmus des zornigen Pochens verlangsamte sich allmählich, als Keli zu begreifen begann.
    Er hat mich gesehen! dachte sie. Er hat mich gehört!
    Sie holte mit neuer Entschlossenheit aus und schrie aus vollem Hals.
    »Ef wird nicht klappen«, erklang eine Stimme dicht vor ihr. »Er ift fehr ftur.«
    Keli senkte langsam den Kopf und begegnete dem frechen Blick des Türklopfers. Die monströse Fratze wackelte mit den gußeisernen Ohren und sprach durch den dicken Schnauzenring.
    »Ich bin Prinzessin Keli, Thronerbin von Sto Lat«, sagte sie hochherrschaftlich und

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