Gevatter Tod
verscheuchte das Erschrecken in einen entfernten Winkel ihres Selbst. »Ich unterhalte mich nicht mit Dingen, die zu Türen gehören.«
»Nun, ich bin nur ein Türklopfer und kann mit allen möglichen Leuten reden«, lautete die fröhliche Antwort. »Wenn du'f genau wiffen willft: Meifter Fneidgut hat heute feinen anftrengenden Tag und möchte nicht geftört werden. Aber wenn du daf magife Wort auffprichft… Wenn ef von fo hübfen jungen Damen ftammt, entriegelt ef felbft die hartnäckigften Flöffer.«
»Was für ein magisches Wort? Wie lautet es?«
Der Türklopfer brummte leise. »Hat man dich denn überhaupt nichtf gelehrt, Fräulein?«
Keli richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, was eigentlich nicht die Mühe wert war. Sie hatte selbst einen anstrengenden Tag hinter sich – zumindest einen anstrengenden Morgen –, und der ohnehin nicht sehr große Vorrat an königlicher Geduld ging allmählich zur Neige. Mein Vater hat auf dem Schlachtfeld mehr als hundert Feinde getötet, erinnerte sie sich stolz. Ich sollte zumindest in der Lage sein, mit einem Türklopfer fertig zu werden.
»Ich bin gut erzogen worden«, sagte sie eisig. »Von einigen der besten Gelehrten im ganzen Land.«
Der Türklopfer schien nicht beeindruckt zu sein.
»Wenn fie vergafen, dir daf magife Wort fu nennen«, erwiderte er ruhig, »kann ef mit ihnen nicht weit her fein.«
Keli streckte die Hand aus, griff nach dem Ring und schlug ihn ans Holz. Der Türklopfer grinste.
»Ja, behandle mich grob«, ächzte er. »Fo hab ich'f gern!«
»Du bist abscheulich.«
»Ja. Oh, daf war gut. Bitte noch einmal…«
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und Kelis Blick fiel kurz auf lockiges Haar.
»Verehrtes Fräulein, ich sagte doch, daß wir heute geschlossen…«
Keli seufzte.
»Bitte hilf mir!« murmelte sie. »Bitte!«
»Na, fiehft du?« triumphierte der Türklopfer. »Irgendwann erinnert fich jeder an daf magife Wort!«
Keli hatte ihren Vater bei offiziellen Anlässen nach Ankh-Morpork begleitet und hochrangige Zauberer von der Unsichtbaren Universität kennengelernt, dem wichtigsten magischen Lehrinstitut auf der Scheibenwelt. Einige von ihnen waren recht groß, die meisten dick. Fast alle trugen elegante Kleidung – oder glaubten es wenigstens.
Die Mode der Zauberer unterlag den üblichen Veränderungen des allgemeinen ästhetischen Empfindens. Ein Magier, der etwas auf sich hielt und heute wie ein betagter, gutmütiger Greis aussehen wollte, mußte morgen seinen Herrenausstatter aufsuchen, sich neu einkleiden lassen und es mit anderer Schminke versuchen. Frühere thaumaturgische Generationen bevorzugten interessante Blässe, mystisches Druidenflair, hier und dort etwas Staub oder eine vage Grimmigkeit, mit der sie sich in eine möglichst geheimnisvolle Aura hüllten. Nun, Keli kannte Zauberer nur als kleine, in Pelz gehüllte Berge, die recht schnaufend sprachen, und Ignazius Eruptus Schneidgut paßte ganz und gar nicht in dieses Bild.
Zunächst einmal: Er war jung. Was man ihm natürlich kaum zur Last legen konnte. Wahrscheinlich mußten selbst Zauberer jung anfangen. Ihm fehlte ein Bart, und der Saum seines recht schmutzigen Mantels, bestand einzig und allein aus abgescheuerten Fransen.
»Möchtest du etwas zu trinken oder so?« fragte er und trat unauffällig eine achtlos beiseite geworfene Weste unter den Tisch.
Keli schüttelte den Kopf und sah sich vergeblich nach einer Sitzgelegenheit um. Überall lag Wäsche oder stand benutztes Geschirr. Schneidgut bemerkte ihre Skepsis.
»Ich wollte gerade mit dem Aufräumen beginnen«, behauptete er und stieß mit dem Ellbogen die Reste einer Knoblauchwurst zu Boden. »Für gewöhnlich kommt Frau Thugent zweimal in der Woche und nimmt mir diese Arbeit ab, aber sie muß sich derzeit um ihre Schwester kümmern, die schon wieder schwanger ist. Ihr Mann hat einen Muntermacher von mir bekommen, und offenbar wirkt das Zeug recht gut. Möchtest du wirklich nichts trinken? Sei unbesorgt, du machst mir keine Mühe. Gestern lag hier irgendwo eine saubere Tasse herum.«
»Ich habe ein Problem, Meister Schneidgut«, sagte Keli.
»Einen Augenblick, bitte!« Der Zauberer griff über den Kamin und holte einen spitz zulaufenden zerknitterten Hut hervor, der schon bessere (wenn auch nicht viel bessere) Tage gesehen hat. »Ich bin ganz Ohr.«
»Was hat es mit dem Hut auf sich?«
»Oh, er ist sehr wichtig. Man muß einen richtigen Hut haben, wenn man sich mit Magie beschäftigt. Wir
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