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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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daß bei okkulten Angelegenheiten die offensichtliche Antwort meistens falsch ist.
    Mort geht geistesabwesend durch Wände und schüttet Witwenmacher in sich hinein, ohne betrunken zu werden. Aber der Grund besteht nicht etwa in einer sonderbaren Metamorphose, die ihn langsam in einen Geist verwandelt. Ganz im Gegenteil: Er wird allmählich gefährlich wirklich.
    Während er an der Balkonbrüstung entlangwandert und dabei durch eine Marmorsäule geht, ohne es zu bemerken, wird langsam klar, daß die Welt aus seiner Perspektive betrachtet eine gegenstandslose Natur gewinnt.
    »Du bist gerade durch eine Marmorsäule gegangen«, sagte Schneidgut. »Wie machst du das?«
    »Tatsächlich?« Mort sah sich um. Die Säule schien recht fest zu sein. Er streckte den Arm aus und holte sich einen blauen Flecken am Ellbogen.
    »Ich bin ganz sicher«, bestätigte Schneidgut. »Uns Zauberern fallen solche Dinge auf, weißt du.« Er griff in eine Tasche seines Umhangs.
    »Dann hast du sicher auch die graue Kuppel gesehen, die sich über dieser Region wölbt, nicht wahr?« fragte Mort.
    Schneidgut quiekte leise und ließ den Korb fallen. Mort vernahm den wenig aromatischen Geruch ranziger Salatsoße.
    »Schon?«
    »Was das ›Schon‹ angeht, muß ich passen«, erwiderte Mort. »Nur in einem Punkt bin ich ganz sicher: Ein zischendes Etwas kriecht über die Landschaft, aber niemand scheint es zu bemerken oder sich Sorgen zu machen, obwohl es…«
    »Wie schnell bewegt es sich?«
    »… Dinge verändert!«
    »Du hast es gesehen? Wie weit ist es entfernt? Wie schnell kommt es heran?«
    »Natürlich habe ich es gesehen. Ich bin zweimal hindurchgeritten. Es fühlte sich an, als…«
    »Aber du bist doch kein Zauberer. Wieso…«
    »Was tust du hier eigentlich?«
    Schneidgut holte tief Luft und rief: »Ruhe!«
    Jähe Stille folgte. Der Zauberer nickte kurz und schloß die Hand um Morts Arm. »Komm!« sagte er und zerrte den Jungen mit sich. »Ich weiß nicht genau, wer du bist, und ich hoffe, eines Tages habe ich genug Zeit, um es herauszufinden. Aber im Augenblick gibt es Wichtigeres. Etwas Schreckliches wird geschehen, und du stehst in irgendeinem Zusammenhang damit.«
    »Etwas Schreckliches? Wann?«
    »Das hängt davon ab, wie weit die Grenzfläche entfernt ist und wie schnell sie sich nähert«, erwiderte Schneidgut und dirigierte Mort in einen Seitengang. Vor einer kleinen Eichentür ließ er ihn los, griff erneut in die Tasche, holte ein kleines Stück Käse und eine zerquetschte Tomate hervor.
    »Würdest du das bitte halten? Danke.« Nach kurzer Suche fand er einen Schlüssel und schloß auf.
    »Wird das Etwas die Prinzessin töten?« fragte Mort.
    »Ja«, sagte Schneidgut. »Beziehungsweise nein.« Er zögerte, die Hand am Knauf. »Das war recht scharfsinnig von dir. Wie bist du darauf gekommen?«
    »Ich…«, begann Mort.
    »Keli hat mir eine seltsame Geschichte erzählt«, sagte der Zauberer.
    »Das kann ich mir denken. Falls du sie für absurd hältst – sie ist wahr.«
    »Du bist er, stimmt's? Tods Lehrling?«
    »Ja. Allerdings bin ich derzeit nicht im Dienst.«
    »Freut mich, das zu hören.«
    Schneidgut schloß die Tür hinter ihnen und tastete nach einem Kerzenhalter. Irgend etwas machte Plopp!, und blaues Licht blitzte, gefolgt von einem leisen Ächzen.
    »Entschuldige«, sagte der Zauberer und beleckte seine Finger. »Ein Feuerzauber. Ich fürchte, ich habe den Dreh noch nicht ganz raus.«
    »Du hast mit dem kuppelförmigen Phänomen gerechnet, nicht wahr?« drängte Mort. »Was passiert, wenn es sich um den Palast schließt?«
    Schneidgut ließ sich seufzend auf die Reste eines Schinkenbrötchens sinken.
    »Keine Ahnung«, entgegnete er. »Es dürfte sicher interessant sein, die Konsequenzen zu beobachten. Aber von außen, wenn's nach mir geht. Ich glaube, wir müssen mit folgendem rechnen: Die letzte Woche wird schlicht und einfach aus dem Kalender der Geschichte gestrichen.«
    »Und das bedeutet, Keli stirbt plötzlich?«
    »Verstehst du denn nicht? Sie wird schon seit einer Woche tot sein. All dies hier«, – der Magier vollführte eine vage Geste –, »ist dann nie geschehen. Der Attentäter hat seinen Auftrag durchgeführt. Und du den deinen. Die Realität heilt ihre Wunden, und anschließend ist alles in bester Ordnung. Ich meine, vom Standpunkt der Historie aus gesehen. Eigentlich gibt es gar keinen anderen.«
    Mort blickte aus dem schmalen Fenster, sah über den Hof hinweg und in die nächste Straße hinab.

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