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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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her. Der alte Mann zuckte unwillkürlich zusammen.
    »Schreib die Zauberformel auf!« rief Tods Lehrling. »Und zwar schnell!«
    Er wirbelte um die eigene Achse und kehrte in das Büro seines Lehrmeisters zurück. In der einen Ecke stand eine Nachbildung der Scheibenwelt, die auf vier silbernen Elefanten stand, unter denen sich der bronzene Panzer einer anderthalb Meter langen Groß-A'Tuin erstreckte. Jade-Adern symbolisierten breite Ströme; Diamantenstaub stellte weite Wüsten dar, und Edelsteine versinnbildlichten die wichtigsten Städte. Ankh-Morpork war zum Beispiel ein Karfunkel.
    Mort stellte die beiden Lebensuhren dort ab, wo die betreffenden Menschen lebten, nahm hinter dem Schreibtisch Platz, beobachtete die beiden Gläser und versuchte, den Abstand zwischen ihnen mit reiner Willenskraft zu verringern. Der Stuhl knarrte leise, als sich Mort von einer Seite zur anderen neigte und auf die Miniaturscheibenwelt starrte.
    Nach einer Weile kam Ysabell auf leisen Sohlen herein.
    »Albert hat die Formel notiert«, sagte sie kleinlaut. »Ich habe im Buch nachgesehen. Es ist kein Trick. Nun, jetzt hockt er in seinem Zimmer, schmollt und…«
    »Sieh dir die beiden Sanduhren an! Ich meine, siehst du sie?«
    »Ich glaube, du solltest dich ein wenig beruhigen, Mort.«
    »Wie kann ich mich beruhigen, wenn dies Glas hier – sieh nur! – am Großen Nef steht und das andere in Bes Pelargic? Anschließend muß ich wieder nach Sto Lat zurück. Es ist eine mindestens zehntausend Meilen lange Rundreise, ganz gleich aus welcher Perspektive man die Sache betrachtet. Und sie dauert ganz eindeutig zu lange!«
    »Bestimmt findest du trotzdem eine Möglichkeit, die PFLICHT wahrzunehmen.« Ysabell brachte es nur fertig, die ersten drei Buchstaben groß auszusprechen. »Ich helfe dir.«
    »Du? Wie willst du mir schon helfen?«
    »Binky ist imstande, uns beide zu tragen«, entgegnete das Mädchen mit einer Spur von Verlegenheit und hob unsicher eine große Papiertüte. »Ich habe uns etwas zu essen eingepackt und könnte – Türen für dich aufhalten und so.«
    Mort lachte freudlos. DAS IST SICHER NICHT NÖTIG.
    »Wenn du doch endlich aufhören würdest, so zu sprechen!«
    »Ich kann dich nicht mitnehmen. Du wärst nur eine Behinderung für mich.«
    Ysabell seufzte. »Ich schlage folgendes vor: Gehen wir einfach davon aus, daß wir den Streit bereits hatten und ich mich durchsetzen konnte – auf diese Weise ersparen wir uns viel Mühe. Außerdem bekämst du vielleicht einige Schwierigkeiten mit Binky, wenn ich nicht dabei bin. In den vergangenen Jahren habe ich ihm viele Zuckerstücke gegeben. Nun, brechen wir jetzt auf?«
     
    Albert saß auf seinem schmalen Bett und starrte an die Wand. Draußen erklang dumpfer Hufschlag, dem jähe Stille folgte, als Binky aufstieg. Der alte Mann brummte etwas Unverständliches.
    Zwanzig Minuten verstrichen. Verschiedene Ausdrücke huschten über Alberts Gesicht wie Schatten über einen Hügelhang. Gelegentlich flüsterte er vage Bemerkungen wie »Ich hab's ihnen gesacht« oder »Is doch alles Wahnsinn« und »Unser Herr sollte davon erfahr'n«.
    Schließlich schien er eine Übereinkunft mit sich selbst zu treffen, sank langsam auf die Knie und zog einen zerkratzten Koffer unter der Liege hervor. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, den Deckel zu öffnen, und als er einen staubigen grauen Umhang entfaltete, fielen Mottenkugeln und stumpf gewordene Pailletten zu Boden. Er streifte das Gewand über, versuchte mit nur mäßigem Erfolg, die vielen Falten glattzustreichen, und kroch noch einmal unters Bett. Das Klirren von Porzellan untermalte halblaute Flüche, und eine knappe Minute später kam Albert wieder zum Vorschein – mit einem Stab, der ihn um ein ganzes Stück überragte.
    Er war auch dicker als ein normaler Stab, was hauptsächlich an den Schnitzmustern lag, die vom einen Ende bis zum anderen reichten. Die seltsamen Darstellungen wirkten eher undeutlich, erweckten jedoch den Eindruck, daß es ein unbedarfter Beobachter bedauert hätte, sie genau zu betrachten.
    Albert straffte seine Gestalt und musterte sich im Spiegel über dem Waschbecken.
    »Hut«, sagte er plötzlich. »Kein Hut. Man muß einen Hut haben, wenn man zaubern will. Verdammter Mist.«
    Er stapfte in den Flur und kehrte nach einer geschäftigen Viertelstunde zurück. Während dieser Zeit geschah folgendes: Der Teppich in Morts Schlafzimmer erlitt ein rundes Loch; der Spiegel in Ysabells Kammer büßte sein silbernes

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