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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Stirn beiseite und zeigte uns die Narbe einer Operation. Man hatte ihr dort einen Hautkrebs im Anfangsstadium weggeschnitten. Da begannen auf einen Schlag alle anderen mit ähnlichen Verhängnissen aufzuwarten. Keiner wollte mehr gesund sein. Sie entblößten alle irgendwelche Flecken, Verfärbungen,Wucherungen. Dann versuchten sie, Spiele zu erfinden, um Hans herbeizuzwingen. Man sollte Gedichtzeilen vervollständigen und Filmtitel raten, die Vornamen historischer Persönlichkeiten, die Erfindungen von Erfindern oder umgekehrt, ich weiß nicht mehr. »Idiotisch!« sagte Herzer mit einem Stoßseufzer in der Garderobe. Aber sie fuhren fort damit. Bis Sabine den Blödsinn fast unhöflich unterbrach: »Laßt uns lieber von kleinen Tieren reden!«
    Habe ich den Satz, hier auf meiner Waldbank, laut gesprochen? Denn nun setzt sich Holterhoff neben mich, nicht schwarz wie die Hartmann-Brüder, dafür grün, wo es nur möglich ist. Er behauptet: »Richtig, Frau Wäns. Ich war in meinem Leben eine Weile sehr verzweifelt. Schließlich habe ich mich aus der Verschüttung freigebuddelt zu den Tieren. Wenn ich mir vor dem Einschlafen etwas Schönes vorstellen will, denke ich mir einen Pferde- oder Hundekopf in den Arm.«
    An jenem Abend faßte ich mir ein Herz, denn ich hatte plötzlich Grund dazu. Man würde auf mich hören. Ich machte meinen Vorschlag und fügte, bevor sie antworten konnten, hinzu: »Heute habe ich eine Postkarte von Herrn Scheffer bekommen.«
    Das saß! Und der Satz von eben reicht bis zum Tristanweg: »Freigebuddelt zu den Tieren«! Viel zu kurz fällt heute die Wanderung aus. Aber noch immer sind mir von eben wegen der Dobermänner die Knie weich.
8. Wanderung
    Was war das gestern? »Freigebuddelt zu den Tieren«? Dieser Herr Holterhoff, man muß ihn gern haben. Nur, daß er mir eben, kaum war ich hier draußen, schon wieder begegnete und erzählte, die großen Treibhäuser im Süden vor der Stadt, in denen man Pflanzen, auch einjährige Blumen vorzieht, würden immer mehr verfallen. Viele ständen schon verlassen mit zertrümmerten Scheibenda, weil die Großabnehmer, die öffentlichen Stellen, sparen und lieber bei den billigen holländischen Händlern Massenware kaufen oder die Rabatten nur noch mit Immergrün bepflanzen oder die Beete gleich zupflastern. So platzte er mir in die gute Stimmung, vielleicht auch in die eigenen Sorgen. Ich fürchte den grünen Holterhoff manchmal beinahe so wie früher die schwarzen Hartmann-Brüder. Denn dann folgte noch das hier: »Fallen Ihnen gar nicht die vielen Birkenschößlinge auf? Die wachsen inzwischen, wo sie wollen. Kein gutes Zeichen, meine liebe Frau Wäns, ist kein gutes Zeichen. Es geht hier seit langem drunter und drüber. Wenn ich nur mal den Herrn Scheffer treffen würde!«
    Er weiß nicht, wie leicht ich Hans fragen könnte. Im Augenblick fast jeden Tag. Vielleicht hätte ich Holterhoff erzählen sollen, was ich durch Sabine weiß. In den Warenhäusern werden in den Abteilungen für Damenbekleidung fast nur noch Unterwäsche, Sportkleidung und Abendkleider geführt, das aber in Unmengen. Wäre das nun für ihn die Bestätigung, daß sich alles verschlechtert oder, im Gegenteil, ein Einspruch?
    Damals jedoch, damals, ja, da war es eine Sensation, daß ich, ausgerechnet ich Zaungast in meinem Winkel, Post von ihm hatte. Ich holte nach der Ankündigung die Karte hervor, von der selbst Sabine nichts wußte. Die Verblüffung über die Vorderseite, noch bevor ich vorlas, war enorm. Zeigte sich irgend jemand empört über die Bevorzugung? Nein. Ich galt wohl einfach als die neutralste Person. Die Ansicht ließ besonders Bäder die Brust schwellen. Denn es handelte sich um einen Gruß aus Alaska. Er hatte sich nicht getäuscht! Iris Steinert blähte sich mit ihm. War Bäder denn ihr Rennpferd, das gerade einen Preis gewonnen hatte?
    Die Karte mit dem Gebirge darauf wurde herumgereicht. Keiner drehte sie um. Als sie wieder bei mir ankam, obschon niemand sie gern aus den Händen ließ, das merkte ich wohl, las ichden einen Satz vor, der hinten draufstand: »Sie heißt Anada!« Sofort erhob sich Hehe, kramte in seiner Innentasche, während die Galeristin sagte: »Das schreibt Scheffer nur, um uns zu ärgern«, und holte die gleiche Karte hervor. Er las: »Lieber Hehe, bin bald zurück.« Wahrscheinlich fragten sich nun alle, ob sich noch ein anderer verstellt hatte, um effektvoll mit einer Botschaft von Hans rauszurücken. Alle sahen einander prüfend an. Es folgten

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