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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Mich täuschen Sie nicht. Sind wir nicht aber, seiner gedenkend, dem entkommen, was wir den zu Paaren, in Schwärmen, Fahrrad Fahrenden, Rennenden, mit Stöcken im gesunden Gehrhythmus Ausschreitenden anmerkten? Wie soll man es nennen? Wir sind der Ernüchterung entronnen, nach wie vor der glanzlosen Vernunft, die den Schein und Widerschein auf den Gesichtern ersterben läßt.«
    Sabine und ich waren platt, als wir zwei Tage nach dem Ausflug diesen Brief von Finnland erhielten. Richtiger muß es heißen: Sabine bekam ihn. Dieser Finnland! Was in diesem höflichen Umstandskrämer alles vorging! Was mochte ihn zu den Zeilengetrieben haben? Vielleicht nichts anderes als die reine Freude auf Herrn Hans. Es brachte mich auf eine Idee. »Sabine«, sagte ich, »dieser Brief ist wie ein Gruß aus vergangener Zeit. Mein Großonkel könnte ihn geschrieben haben. Er gefällt mir. Laß uns tauschen. Du bekommst dafür die Karte aus Alaska.« Ich sah anschließend aus Zartgefühl sofort zum Fenster raus. »Gut«, sagte sie, »einverstanden. Die stummen Berge auf der Karte sind mir tatsächlich wichtiger als Finnlands redseliger Aufsatz.« Ach, wie gönnte ich meiner traurigen Kleinen die glückliche Phantasie!
    Wir wanderten, wir waren ein insgesamt fröhlicher Trupp. Wie eine schnelle Folge von Schüssen hallte das Knallen eines Pferdegalopps, von uns durch ein Wäldchen getrennt, vorbei. Der junge Bäder hatte seine Brille vergessen, er wußte nicht, ob er helle Baumstämme, helle Pferdeleiber oder Menschen in hellbraunen Anoraks sah. Außerdem trug er die falschen Schuhe. Als Bruno Zock ihm eine einzelne Kiefer zeigte, die Hans ausdrücklich auf einer weiten, sonst nur von Birkenschößlingen, schwarz vertrockneter Erika und dunklen Tümpeln gemaserten, leicht hügeligen Ebene wegen der malerischen Wirkung hatte stehenlassen, rutschte er auf dem feuchten Boden aus. Zock rettete ihn vor dem Schlimmsten, aber Bäders Hosen waren nun verdreckt. Ausgerechnet! »Will der hier alles unter Wasser setzen?« fragte unser Lackäffchen beleidigt in die Welt hinein. »Dieser Scheffer! Dem Mann sitzt ja ein Biber im Leib.«
    Ganz unrecht hatte er nicht. An manchen Stellen durchschaute man ohne weiteres die Strategie unseres Herrn Hans. Die restlichen Wanderwege, die mitten durchs Gelände führten, wurden von beiden Seiten in die Zange genommen. Rechts und links überschwemmte Fluren, bis sie irgendwann unbegehbar in Pfützen und Schlamm untergingen, um eine andere Natur, eine viel ältere, aus den sumpfigen Gewässern auftauchen zu lassen, über der sich auch der Himmel und sein Licht, samt seinen Bewohnern, den Vögeln, ändern und in den Wanderern dieserBreiten unvermutete Gefühle auslösen würde. Ich, ich wußte das doch schließlich alles mit Haut und Haar.

»Uns diesen Matsch hier zuzumuten!« sagte Magdalena mit einem Lächeln, das Hans sofort verteidigte. Sie machte sich Sorgen um ihr ausgeklügeltes Picknick in den Truhen, die von den Männern geschleppt wurden. Es war bestimmt als Probe für ein späteres mit Hans gedacht. Er fehlte uns, doch er umschwamm uns, wir atmeten ihn ein mit dem Geruch der Heidelandschaft. Er bewegte sich durch uns hindurch. Wäre er bei uns gewesen, dann hätte er sich verantwortlich gefühlt für unser Wohlbefinden, wäre plötzlich neben jemandem gegangen, der kurzfristig vereinsamt war. Er hätte zwischen uns das Netz geknüpft und repariert. Jeder hätte darauf gewartet, daß Hans sich irgendwann zu ihm gesellen würde. Dann wäre die Temperatur des Gewebes an dieser Stelle leicht angestiegen, um sofort, wenn er sich entfernte, wieder abzufallen. Weil das, was er sagte, interessanter klang als das von Herzer, Hehe, Zock? Das wohl nicht. Es war eher etwas Körperliches, ein Kraftschub, ein Lebensfeuer. So erkläre ich es mir, als Zaungast allenfalls, denn das bin ich nun mal, und so gefällt es mir.
    Hehe schlug sich mal eben in die Büsche. Zock sah ihm nach und sagte dann, Hans stelle sich überall, nur in der Innenstadt nicht, ungeniert an den Wegesrand, um die Gegend zu bewässern. Von hinten wirke es auf ihn wie die Männer an den Bankautomaten. »Wie die Männer auf den Breughelbildern, man sieht die Rücken und weiß gleich, womit die Hände in der betreffenden Höhe vorn beschäftigt sind«, ergänzte die Libelle allzugern.
    Ich bin erst vor einigen Tagen mit Hans und Sabine gewandert. Da war sie es, die kurz ins Dickicht mußte. Ich beobachtete etwas. Sie lehnte, bevor sie uns verließ,

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