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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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unzüchtigen Seufzer von sich, doch, ich bin sicher, denn Hehe schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser hochsprangen und wieder sicher landeten. Als er das bemerkte, lenkte es ihn ab von seinem Zorn, und seine Geschicklichkeit freute ihn.
    »Da gebe ich Iris recht«, sagte verblüffenderweise Bäder. Ich begriff dieses Pärchen nicht im geringsten. Und redeten die wirklich von Hans? Von unserm einmaligen Herrn Scheffer, meinem Herrn Hans?
    Eins aber stand nun fest. Der Bann war endgültig gebrochen. Den restlichen Abend über wurde nur noch von ihm geredet, von diesem »unverzichtbaren«, »jähzornigen«, »hinreißenden«, »kindlichen« Menschen, so nannten sie ihn, als hätte sich sehr viel angestaut. Dort, wo ein bißchen an ihm herumgenörgelt wurde, geschah es zärtlich und um zu verheimlichen, wie heftig wir ihn vermißten und wie stark wir unsere Gräue und unser Alter empfanden. Alle Lust und Liebe war, nachdem wir seine Gegenwart genossen hatten, aus unserem Leben gewichen. Ich konnte von diesen Sätzen nicht genug kriegen.
    Und so habe ich es mir später mit Hilfe einer etwas mürrischen Sabine zusammengereimt: Wegen des unfreundlichen Wetters zeigte Herr Hans der stets spritzigen Frau, der er nicht den rauhen Wind zumuten wollte, das Treibhäuschen. Ursprünglich hatte es zu einer herrschaftlichen Villa gehört und war vor einigen Jahren, bestimmt auch auf sein energisches Betreiben hin,vor dem Abriß gerettet worden. Es gab dort ein paar exotische Gewächse mit fremdartig gemaserten Blättern und roch herrlich nach besprengter warmer Erde. Hinter großen Hibiskusgebüschen stand eine weiße Bank, daneben gab es einen Miniaturteich mit Goldfischen. Wer kam schon hierher? Wer wußte davon? Was kann die Galeristin überhaupt in diesen Park geführt haben, wirklich der Zufall? Einer von beiden trug immerhin ein Picknick bei sich. Der Rest bestand offenbar aus Schweigen und, falls Iris mit ihren Andeutungen nicht gelogen hat, körperlichen Annäherungen.
    Egal. Mich, in meinem Winkel, beunruhigte nur der eine Satz von ihr: »Zum ersten und einzigen Mal hat mir der Kerl richtig und lange in die Augen gesehen.« Wie gut, daß mich niemand gerade in diesen vier, fünf Sekunden in meiner Ecke beachtete.
    Sie erzählte das, wenn man es glauben wollte, unbefangen, als harmlosen Scherz aus der Wirklichkeit zur Unterhaltung, behauptete auch, daß eine alte Blumenliebhaberin plötzlich vor ihnen erschienen sei, »gerade im allerunpassendsten Augenblick«, und wie sich Herr Hans ohne Verlegenheit erhoben habe in voller Breite und sich einfach galant vor der konsternierten Dame verneigt und sie, Iris, dabei taktvoll vor deren Augen verdeckt, sich selbst aber an strategischer Stelle vor lauter Kavalierstum verraten habe. Die wackere Besucherin habe fasziniert von Hans zu den blühenden Anturien mit ihren aufrecht ragenden Griffeln und wieder zu Hans zurückgestarrt und sich schließlich mit einem »Donnerwetter« entfernt.
    Seitdem will ich mir Iris nie wieder in den Kleidern meiner eleganten Großmutter vorstellen, vorstellen kann ich mir nicht, daß sie, die Galeristin, es uns, wenn es tatsächlich passiert wäre, preisgegeben hätte. Sicher war alles bloß unkontrollierbar ins Blaue hineinphantasiert, um für ein bißchen Zündstoff zu sorgen. Die Betroffenheit der anderen bemerkte sie ohne Zweifel mit höchstem, auch ein bißchen tückischem Vergnügen. Endlichflimmerte die Stimmung wieder wie zur Zeit von Herrn Scheffers Anwesenheit. Ich glaube, dafür war man ihr dankbar und trug ihr die Schamlosigkeit, da Hans ja nichts davon erfuhr, nicht lange nach. Herr Hans, wenn er sich uns schon nicht zeigte und uns keine Zeichen gab, war doch endlich, zwar etwas verunstaltet von dieser unzuverlässigen Libelle, durch ihre Geschichte zu uns heimgekehrt. Man lächelte wieder! Das hat mich noch am selben Abend auf eine Idee gebracht. Ob ich die Tischrunde dafür erwärmen könnte?
    Nun muß ich mich erst beruhigen. Langsam, langsam! Nichts passiert.
    Ich bin wohl auf dieser Bank etwas eingenickt, zur Seite gekippt, und habe bis eben noch von einer graublau geschwungenen Ferne geträumt. Ein Dunst lag über der Erde. Sie hatte ihre bäuerliche Schwermut und auch Schwerfälligkeit abgeworfen. Es kam mir bekannt vor von den alten Bildern aus Holland, von den Hintergründen dort. Aber als ich die Augen aufschlage, sehe ich in drei stockdunkle Gesichter, sehr nahe bei meinem eigenen. Da ist mir ein Schrei entfahren,

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