Gewäsch und Gewimmel - Roman
Nachbarschaft, »Haus Dompfaff« nenne es sich. Alle naselang hetzten sie ihm die Polizei und das Gewerbeaufsichtsamt auf den Hals, weil angeblich was nicht in Ordnung sei mit der Sauberkeit, mit dem Klo da draußen. Kaum sei es verstopft, fast bevor er es selber wisse, stehe die Polizei vor der Tür, und er müsse, bei bestem Sommerwetter und viel aufgetautem Blechkuchen, den Laden schließen, dürfe niemanden mehr bei sich sitzen lassen, höchstens Kaffee im Becher zum Mitnehmen verkaufen. Das stelle man sich vor. All die schöne Kundschaft bei Bombenwetter. Nichts da! Der »Dompfaff« habeseine Spione zum Klo ausgeschickt, ja vielleicht sogar Sabotage betrieben und taue schon lachend das Doppelte an Apfelschnittchen und Schwarzwälderkirschtorte auf. Eine Tragödie, denn es sei nicht sicher, ob der Bruder, der nach außen durch seine vielen Muskeln bärenstark wirke, aber das Herz eines Lämmchens besitze, auf Dauer die Attacken ertrage und durchhalte.
»Außerdem«, vermutete ich »hat der ›Dompfaff‹ sicher die Polizisten bestochen, nicht sehr, aber mit kostenfreier Bewirtung, damit sie besonders streng zu Ihrem Bruder sind.« Es kam so aus mir heraus ohne mein Zutun. Ilona aber stutzte und bedankte sich dann für meinen Verdacht. Ja, das sei eine gute Idee und ein Tip. Sie wolle es morgen sofort dem verzweifelten Bruder mitteilen. »Natürlich bin ich mir nicht sicher. Und was hilft es auch? Wie will man es beweisen?« sagte ich noch. Dann entwischte ich zu Herrn Hans.
»Unser Oberstadtmeister mit den himmelblauen Augen im Kopf ist in diesen Dingen nicht zimperlich«, meinte Herr Zock, als ich ins Wohnzimmer eintrat. »Wahlen im September. Wir sind uns doch einig, daß er, sofern kein Wunder geschieht, dann nicht mal mehr koalieren muß? Das Rudel flüchtet bei wirtschaftlicher Gefahr kopflos zum Leithirschen.« Er sagte es fröhlich, richtig gemütlich, damit es in unsere lustige Runde paßte, so wie: »Morgen wird das Wetter ein bißchen trübe.«
Hans runzelte trotzdem die Stirn, man konnte nicht wissen ob es die Sache selbst war, die ihn verdroß, oder der Umstand, daß Freund Bruno ausgerechnet jetzt mit solchem Zeug aufwartete. Wieder erwies sich der bleiche Hehe mit dem Leidensgesicht hinter dem lebenslustigen, mittlerweile fast unbarmherzig gegen seinen Träger lärmenden Schnauzbart als rettender Engel. Er legte Hans sachte die Hand auf die Schulter, tätschelte ihn mit der nur ihm gestatteten Zartheit: »Unser Herr Scheffer vom Hochmoor, keine Angst, der läßt sich in seinem Eiszeitgebiet schon nicht die Butter vom Brot nehmen.«
In diesem Moment kreischte Iris übertrieben auf. Magdalena war beim Reintragen von der mit Blumen geschmückten Obstschale einiges zu Boden gerollt. »Kalf, Heda, Mignon, alle ab in die Vergänglichkeit«, krächzte die Galeristin ausgelassen. Es handelte sich um Maler, und sie nannte noch mehr, aber nur diese drei habe ich behalten. Maler von Stilleben vor Jahrhunderten. Hans aber murmelte, ohne auf anderes zu achten, ganz in sich versunken: »Wenn die das so wollen, dann setzen sie es auch durch. Das meiste ist schon heimlich in die Wege geleitet. Absprachen hinter verschlossenen Türen, nichts Neues.« Ich stand ihm am nächsten, es hatte sich so ergeben, deshalb war ich vielleicht die einzige Person, die diese Antwort hörte. Was meinte er denn? Er wirkte plötzlich so traurig, daß ich ihn am liebsten gefragt hätte oder zumindest getröstet, traute mich natürlich nicht.
Und da lachte er ja schon wieder, glänzte und funkelte von Herzen, nachdem er bloß den großen, lieben Kopf geschüttelt hatte. Weg mit den Grillen! Jetzt wolle er uns einen Vorschlag machen. »Es gilt«, so ungefähr unser Hans etwas zeremoniell in die nun vollständige Runde, »sich ein wenig auf den Gast aus Alaska vorzubereiten. Man kann die Tage ja bereits zählen.«
Wieder schielte die ruhelose Iris daraufhin nach rechts und links, um Verbündete zu finden für ein Augenverdrehen. Da war diesmal keiner.
»Ich habe der Kleinen viel von euch erzählt, habe sie gewissermaßen hergelockt mit der Schilderung so fesselnder Gestalten wie Bäder und Finnland, so hübscher Frauenspersonen wie … ach was, ich zähle sie erst gar nicht alle auf.« Er schlug die Augen nieder, man erkannte die schönen Wimpern.
Schon hatte ich nämlich bemerkt, wie meiner Sabine die Mundwinkel sackten, denn wenn er sie zu den Hübschen rechnete, wäre es eine erkennbare Lüge, wenn nicht, eine Schmach für
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