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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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sie.
    »Kurzum, Anada ist darauf vorbereitet, hier eine amüsante Gesellschaft anzutreffen. Sind wir das noch? Habt ihr in meiner Abwesenheit geübt? Oder ist alles vergessen und verrostet?« Ich glaube, hier kam ihm ein unverschämter Einfall, vielleicht betraf es nur Herzer oder Zock, vielleicht uns alle. Die Einkerbungen der Mundwinkel! Keiner außer mir beobachtete es. Schon war es aber vorbei damit.
    »Irgendwelche Vorschläge? Nein? Ich stelle mir folgendes vor. Schon länger stören mich die stumpfsinnigen Bezeichnungen der Wege im Naturschutzgebiet. Von Namen zu sprechen, ist eine Beschönigung. Es heißt immer nur: Feldweg 88, Feldweg 90 und so weiter. Eine Blamage vor der Tier- und Pflanzenwelt. Für Äcker mag das genügen, wir aber, und sei es nur eine stille Verabredung unter uns, sollten bessere Bezeichnungen finden. Wir wollen sie Anada als die eigentlichen, aus Urzeiten stammenden Namen vorführen, ein bißchen Märchenwelt, Reich der Trolle und so weiter, Gnome des Nordens, diese Richtung, damit sie sich hier heimisch fühlt. Bäder, Sie als Galerist finden vielleicht sogar einen arbeitslosen Maler, der uns für ein paar Tage, das erlauben wir uns, nette Schilder schreibt, die wir über die offiziellen hängen.«
    Herzer nickte als erster. Da mache er mit. Es könne der Gegend weder schaden, noch sei es ein Stilbruch, da sie ansonsten so reich gesegnet sei mit Einschlägigem aus der Nazizeit. Er sage nur: Siegfriedweg, Siegmundweg, Friggaweg, Odinstraße, Baldurweg.
    Ich täuschte mich sicher, aber lachte ihn Hans nicht aus, ohne auch nur ein bißchen die Miene zu verziehen? Nach außen neigte er zustimmend den mächtigen Kopf zu dem wachsamen Frauenarzt hin: »Man beginne also mit dem Konzert!«
    »Kwamhuapuhapfad«, sagte Iris ohne zu fackeln, »Kwamhuapuhapfad, spricht sich ganz leicht. Sofort wird Anaconda hier ihre indianischen Ahnen vermuten. Cheyenne oder Sioux oderwie Herr Scheffer befiehlt. Oder, falls das der Ehre nicht genug ist, Kwamhuapuhapromenade?«
    Hans hatte sich was anderes gedacht, aber er notierte die Idee der Boshaften ohne Kommentar, fragte auch nicht nach, wie er es schreiben solle. Von irgendeiner ehemaligen Intimität mit dieser Frau oder einer anderen der hier Anwesenden war ihm nichts anzumerken. Er wirkte wie neugeboren, schien sich an nichts zu erinnern, oder die amourösen Gerüchte waren überhaupt bloß Luftgespinste um einen Unschuldigen herum. Iris streckte ihm die Zungenspitze raus, allerdings so, daß er es nicht unbedingt bemerken mußte. Oder doch? Sie stellte es ihm frei. Und wieder war es meine tod- und butterbrave Sabine, die Herrn Scheffers Faden gehorsam aufgriff und meinte: »Wichtelweg«? Iris blickte demonstrativ gequält zum Himmel.
    »Hm«, machte Hans gutmütig, »schon recht. Nur ein bißchen akzentuierter vielleicht.« Aber er vergaß es aufzuschreiben. Durchgefallen also! Sabine gelang es, die flüchtige Beschämung rechtzeitig hinter ihren Händen zu verbergen, während Hans einen Plan des gesamten Gebiets auseinanderfaltete.
    Ob sie denn Deutsch spreche, es lesen und verstehen könne, erkundigte sich nun Herzer mit einigem Vorbehalt. Ich erkannte es an der Art und Weise, wie er die Oberlippe über den vorlauten Zähnen hochzog. Es machte ihn häßlich und richtig ärztlich. Nein, nein, gab Hans arglos zurück, das sei ja der Witz! Man müsse ihr die Namen dann ins Englische übersetzen, Bruno Zock müsse es, um es genau zu sagen. Er sei der Weitgereiste unter uns, der Feinheiten des Englischen und Amerikanischen am besten kundig. Er, Hans, freue sich jetzt schon unbändig auf die Akrobatik.
    Wir hatten inzwischen ziemlich viel getrunken, die meisten von uns jedenfalls. Sicher erklärt das, warum dann doch schließlich alle immer hitziger mittaten, und durcheinander ging es mit:
    »Sumpfgrafenabweg«,
    »Moormördersteig«,
    »Nymphenfingerschlupfwinkel«, ich erinnere mich: von Zock, ausgerechnet das kam von Magdalenas Ehemann!
    »Zwergengliedstieg«,
    »Moorleichenfurt«,
    »Nacht-und-Nebeltreppe«,
    »Oberer Försteruntergang«.
    Bruno Zock arbeitete schon an den Übersetzungen. Hans trug mit rotem Stift die Namen in seinen Plan ein. Die Gegend sehe jetzt »verteufelt gut aus«, so Hans.
    Ich erinnere mich, wie das Unglück von Mirko begann. Tonia wollte nicht mehr Rainfarn und Geißblatt am Morgen auf der Türschwelle finden: »Wir sind doch keine Kinder!« Sie hatte den Geschmack gewechselt. Eines Tages trug sie einen breiten blutigen

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