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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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nicht. Grußlos zieht sie schließlich vorüber.
    Wieder erscheint da Mirko vor mir, mein unglücklicher Mirko, den keiner retten konnte. Die Gewalt war anziehender als die Liebe. Der Söldner, dem Tonia verfallen ist, hat mit fünfzehn Jahren, um Geld zu bekommen, seine Mutter so lange geschlagen, bis Nachbarn die Streife holten. Er ließ sich nicht bändigen. Schon in Fesseln, trat er der Polizistin mit schweren Stiefeln mitten ins Gesicht. Erst sieben Beamte wurden am Ende seiner Herr. Aber auch diese Geschichte hat dem Mädchen als Wildheit und Wut durch und durch gefallen. Das merkte der Söldner schnell, er kannte schon diese Schwäche der Frauen und wird, um Mirkos Tonia noch mehr für sich zu gewinnen, drauflosgeprahlt haben. Also mußte unser Junge schauerlich untergehen. Die drei Hartmann-Brüder in ihrem schwarzen Zeug saßen dagegen, wurde gesagt, zu Hause brav auf dem Sofa und hielten den Mund, wenn der Vater sprach. Nur draußen, in den Straßen, da waren sie im Triumph die schrecklichen drei.
    Hans sah am Mittag vor unserem nächsten Treffen noch einmal bei uns herein. Es gab gerade Dickmilch mit Schwarzbrot, und es schmeckte ihm. Nur kurz verfinsterte sich sein Gesicht, kurz und majestätisch, wie Sabine und ich es so gern sahen, obschon wir den Atem anhielten. Er hatte zärtlich von seiner »capra capricciosa« gesprochen, und Sabine verzog in diesem Augenblick mißtrauisch, in Wahrheit eifersüchtig den großen Mund. Sofort dräute da ein Scheffersches Unwetter. Nein, selbst sachte Vorbehalte gegenüber Anada duldete er nicht.
    Damals, gegen Ende Juli, blühten hier der Rainfarn, der Odermennig, das Johanniskraut und der Gilbweiderich, alle gelb. Es gab die lila Distelblüte mit den auf- und niederwehenden Tagpfauenaugen und erstem Mehltau auf den Eichensprößlingen. Ich weiß es, weil ich noch am Morgen des Tages eine lange Wanderung gemacht und überlegt hatte, ob diese Menschen, die uns am Abend besuchen würden, etwas wußten von Tau und Reif und den Nebelstreifen in der Nähe der Tümpel und Waldseen.
    Ich weiß es, weil ich plötzlich auf Herrn Hans stieß, der mit sehr sorgenvoller Miene in der Hocke saß. Er überprüfte etwas im Boden. Als er hochsah und mich erkannte, begann er sofort zu lächeln, stand auf und nahm meine Hand. Ich wollte gleich weiter, weil ich so sprachlos und er doch beschäftig war, aber er sagte, ohne irgendeinen Übergang zu mir: »Frau Wäns, Ihnen kann ich es verraten. Jede Linie in Anadas Gesicht sagt deutlich, daß sie unter dem Tod und der ganzen Sterberei etwas vollkommen anderes versteht als wir Älteren. In ihrer Nähe löst sich der Tod, wie wir ihn begreifen und fürchten, auf. Und noch etwas. Sie fragen sich bestimmt, ob ich verliebt bin in diese Nichte oder Großkusine oder was es ist. Ich will es Ihnen, nur Ihnen, verraten. Ja, es ist mir offenbar gelungen! Ich hatte schon vor der Abreise so eine Idee und auch Hoffnung: Vielleicht gab es ja auch für mich einmal die Chance, es zu versuchen, nach langer Zeit einmal auszuprobieren, ob sich irgendwo noch was rührt.«
    Hier legte der Mann wahrhaftig die Hand aufs Herz.
    »Wie gesagt, das gestehe ich nur Ihnen allein.« Er ahnte natürlich nicht die kleine Kränkung und wie genau ich ihn begriff. Schon wieder stellte sich heraus, wie wenig ich noch zählte, als wäre ich schon vollständig harmlos geworden. Doch das machte nichts. Denn im Weitergehen überlegte ich sofort: An all den Abenden mit uns sah er das Verliebtsein in unseren Gesichtern und wie es uns guttat und besser machte und bezauberte. Nur war er, unser Herr Hans, ja umgekehrt nicht in uns verliebt. Soist er endlich darauf gekommen, dieser Spur in Alaska nachzuforschen, ob sie ihm das Geschenk zubilligen würde, das er uns mit seiner Gegenwart gewährte.
    Wenige Stunden später konnte ich es prompt an uns studieren. Welche Freude und Glättung der Gramesfalten, selbst bei Herzers. Hans erwartete sie alle schon und schmeichelte den Frauen zerstreut, aber eifrig, lobte hier die funkelnden Augen, dort die roten Wangen, Magdalenas Artischockensalat, Bruno Zocks Wein. Etwas belustigte ihn, und er goß zusätzlich Öl ins Feuer. Der iltisjunge Boris Bäder, der sich durch seine frühe Alaskaprognose und die Erfolge als Galerist großes Selbstvertrauen erworben hatte, dessen größter Stolz aber darauf beruhte, daß er von uns allen der Jüngste war und daher mit gutem Recht den Rebellen spielte, beäugte mit einer Eifersucht, die niemandem entgehen

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