Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
gestiegen.
    Es war dann mit den beiden offenbar doch nichts Besonderes geschehen. Ich merkte ihnen nichts an, als sie mich einholten, nicht vereinzelt und nicht entzweit. Ohne verheißungsvolle Befangenheit, nach der ich zwar nicht Ausschau hielt, aber gehorcht habe ich doch darauf, wegen Hans. Verstellten sie sich so gut vor mir? Was sollte ich ihm wünschen? Er machte ihr, wie immer, seine deutlich übertriebenen Komplimente, zog sie auf, zog oft an ihren Haaren. Aber sonst? Von ihren Haaren konnte er kaum die Finger lassen, egal, ob sie die offen trug oder hinten zu einem Schwanz gebunden oder nachlässig mit bunten Kämmchen hochgesteckt. Bis sie ihn einmal unvermittelt dermaßen anfauchte, daß er vor ihr ein Stück zurückwich, verdutzt, neu entzückt und: »Ich tu’s nie wieder, Grete!« rief. Er hielt es aber nicht lange aus und nannte sie schon nach dreißig Sekunden wieder »Anada!« Nein, so entwaffnend könnte man die Namen Sabine oder Luise niemals aussprechen. Er betonte, je nach Laune, auf der ersten, zweiten oder dritten Silbe.
    »Ich will Ihnen was verraten, Frau Wäns«, sagte er geheimnisvoll, als das Mädchen ein bißchen zurückblieb, »es ist eben so: Frisch gefallener Schnee hat gegenüber dem Sonnenlicht 85 % Rückstrahlungsvermögen, Ackerboden nur 15 %. Darin sehen Sie ziemlich genau das Verhältnis von Anada zu den anderen abgebildet.«
    Es folgten, sooft es nur ging, die Ausflüge zu Naturparks in der Nähe, die sich als »letzte Paradiese« anpriesen, an Seen und an der Küste, vom Wattenmeer bis zur Lüneburger Heide, sogar zur Vorpommerschen Boddenlandschaft. Anada kam widerspruchslos mit, Hans bemerkte nicht ihr nachsichtiges Lächeln. Er war zu aufgeregt, zu glücklich, vor allem zu angespannt, der arme, wehrlose Mann. Woher nahm er eigentlich die Zeit für solche Unternehmungen? »Sie soll mit Bildern vollgestopft werden. Im Herbst kommt dann die Oper an die Reihe, Frau Wäns.«
    Anada staunte. Ja, aber nicht über die großartige, sondern über diese kleine, mühsam umzäunte Natur, um die so viel Theater gemacht wurde.
    Und dann kam das Wochenende, an dem wir vollzählig zur Flachlandfestung Dömitz fuhren, die unter einem blauen Himmel, mit einfachen weißen Wolken darinnen, breit im Grünen lag. Es war das letzte Mal, daß alle, die Frauen wie die Männer, unseren Herrn Hans ganz wie in alten Tagen, ich meine, wie an den ersten Abenden im Tristanweg, so lustig und kindisch und mit den kleinen Bissigkeiten umschwärmten. Nur der Metzger Hehe fehlte. Daran wollten wir diesmal nicht denken. Ich glaube, selbst die sich rundende Ilona war entschlossen, auch wegen ihres wachsenden Kindchens, es einmal zu vergessen. Hans mußte ihnen nur sein liebes Gesicht zuwenden, schon blühten alle auf, alle verjüngten sich. Iris verlor, bevor wir zur Besichtigung der Festung kamen, einen quittengelben Schuh bei der großen Binnenlandwanderdüne, nachdem wir dort Magdalenas verschwenderisches Picknick restlos aufgegessen hatten. Man spielte eifriges Suchen, der Schuh blieb vergraben, Iris humpelte dekorativ und warf dabei Figuren, die den Fotografen Finnland sehr zu interessieren schienen, obschon er sich doch bisher ausdrücklich auf Landschaft mit ihren »Strukturen« verlegt hatte. Zum Schluß holte Bäder das Ding aus seinem Versteck im geschützten Dünensand der Eiszeit.
    Anada lief barfuß. »Sehen Sie nur die Füße, Frau Wäns! Ein Wunder, wie schmal und weiß die sind. Wie können Menschenfüße so zart sein! Dabei sind alle zehn Zehen vorhanden, ich habe unauffällig nachgezählt. Unbegreiflich. Vermutlich ist sie eine Außerirdische. Da oben hoch im Norden verliert der Staat die Kontrolle über seine Einwohner, da kann es zu unerlaubten Beimischungen kommen«, raunte mir Hans seitlich zu.
    Am schönsten aber war das brennend rote und bräunliche Mauerwerk der mächtigen, viele Jahrhunderte alten Bastionen,die italienische Baumeister auf den Resten einer Burg errichtet hatten. Vielleicht empfand es niemand sonst, weder Anada noch Sabine, niemand. Ich, ich jedoch, ich schon: Die Backsteinfestung hatte genau die Wucht, die Glut, die, kaum geriet man in seine Nähe, vom Körper unseres freudigen, ängstlichen Führers ausging.
    Er achtete, nicht anders als gewöhnlich, auf das Wohlbefinden aller. Ich sah ja, daß jeder unternehmungslustiger ausschritt, Mann oder Frau, Zock oder Herzer, Iris oder Jeanette, von Sabine gar nicht zu reden, sobald Hans locker plaudernd auf dem weitläufigen

Weitere Kostenlose Bücher