Gewäsch und Gewimmel - Roman
natürlich, wie es seine Art ist, sofort dunkelbraun gekichert, ja, tiefbräunlich knisternd gekichert hat er. Das war ein schlimmer Moment für mich, aber ärger ins Herz traf es mich, als er sich gegen Ende eines Gruppenausflugs, noch mit Anada, leise bei mir erkundigte: »Frau Wäns, sagen Sie es mir. Habe ich alle meine Witze und Anekdoten schon einmal in Anwesenheit des Mädchens erzählt? Kennt Anada das alles schon?« Dann lauschte er vermutlich dem Satz nach, merkte erschrocken, wie verzagt er klang, und rief in die warme Sommerabendluft: »Diese Weiber!« Die hörten das, fingen an zu gurren und drehten die Köpfe zu ihm hin. Anada nicht, nein, die Gemeinte natürlich nicht.
Die lächelte nur erstaunt. Sie ließ die Augen in großer Anmut von einem zum anderen wandern. Längst verstand sie unsere Sprache, anderes dagegen nicht, gab sich auch keine Mühe, es zu erforschen. Bald war klar: Es lohnte sich nämlich nicht für sie. Verwundert nahm das schläfrige Kind zur Kenntnis, daß die Männer sie eine Weile umbalzten und die Frauen versuchten, sie aufs Glatteis zu führen. Vielleicht ist ihr sogar das entgangen, das mit dem Glatteis, es klappte ja nicht so recht, und auch, wieZock und Herzer, Bäder und Finnland allmählich das Interesse an ihr verloren und ihre störrische Verweigerung der geringsten Koketterie nicht länger für ein exotisches Geheimnis, sondern für arktische Fadheit dieses, bis auf die Hüften, elfischen Wesens hielten. Obschon sie, durch Anadas unberechenbar lodernden Augenaufschlag betört, dann doch von neuem loslegten.
Sabine und ich, wir allerdings blieben bis zum Schluß unsicher, ob sie sich so arglos verträumt und geistesabwesend stellte oder ob sie es wirklich war. Abwechselnd mal das eine, mal das andere. Darauf einigten wir uns. Und ansonsten gab sie eben unseren Köder für Hans ab, der eines Morgens, als er Anada und mich abholte in seine Wildnis, vor sich hinmurmelte, während er das Mädchen beim sorgfältigen Schnüren der Wanderschuhe beobachtete: »Wüßte ich nur, wieviel Zeit mir zur Verfügung steht!«
Am Himmel breiten sich grau glänzende Wesen aus, die nur aus Flügeln und weichem Gefieder bestehen, und doch ist über allem eine Qual, auch wenn sie eine Weile den Atem anhält. Aber ich halte ja ebenfalls an, gerade erst fällt es mir auf! Ich stehe einfach still und rühre mich nicht. Das ist neu. Wie lange schon zur Salzsäule erstarrt? Es gefällt mir, einfach so zu versteinern. Ich ruhe mich in mir selbst aus, indem ich mich vergesse. Es strengt nicht an, sich so zur Leblosigkeit zu versteifen, das passiert von selbst. Im Gegenteil, Mühe kostet es, sich daraus zu lösen und die Glieder wie gewohnt zu regen. Da spürt man plötzlich die Müdigkeit, den Widerwillen. Eigentlich, nur mein Strohhütchen mit dem kleinen Birkenzweig darf es hören, möchte ich so bleiben und mich in den Boden einwurzeln, den Mund offenstehen lassen, damit irgendwann vielleicht ein bißchen Regen reinfällt.
Ja, ich mußte immer mit. Dabei hatte ich das Gefühl, er wäre schrecklich gern mit dem Kind allein gewesen, wenigstens um gewisse grundsätzliche Dinge zu klären. Statt dessen redete er,während wir durchs Gelände stapften, ununterbrochen, jede Pause vermeidend, auf sie ein, um ihr sein großes Projekt, die Wiederherstellung einer historischen Landschaft, nahezubringen: »Das alte Bild, die Weite mit Überblick auf die Moor- und Heidelandschaft und das Mosaik von trockenen und nassen Böden, die hier wiedererstehen, sind gleichzeitig Artenschutz.«
»Die Weite? Wo ist Weite« fragte Anada sanft.
Hans achtete nicht darauf. »Keine isolierten Flächen. Die sind schlecht für Flora und Fauna. Versteht ihr? Wir vernetzen die Restflächen und mußten Gehölze und Humusschichten entfernen. Dadurch werden die nährstoffarmen Böden der Dünenkuppen geschützt. Wichtig und leider sehr aufwendig ist das Beseitigen des Birken- und Kiefernaufwuchses. Habt ihr schon mal was von Sukzession gehört? Lassen wir das! Ich hatte auf deine flinken Finger und deinen biegsamen Rücken gehofft, Anada. Die Ausbreitung des Land-Reitgrases und der Ackerkratzdistel, die wir hier nicht brauchen können, versuchen wir durch Mahd in den Griff zu kriegen.«
Wie anders und fremd das Wort Anada in diesem Vortrag klang! Vielleicht hätte er, wenn es nur irgendwie möglich gewesen wäre, viel lieber immer nur dieses eine Wort gesagt.
»Dünenkuppen? Daumenkuppen« lachte Anada
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