Gewäsch und Gewimmel - Roman
Gelände neben ihm wanderte, mit seinem leise vibrierenden Gemurmel, mit diesem Körper, der seine Wärme und sein Atmen so freigebig austeilte. Nach kurzer Zeit fingen sie in seinem Widerschein an zu leuchten, wie die Bäume gegen Ende Oktober und hier in Horsten, wenn die Zeit dafür kommt, das hohe Gras herbstlich aus sich selbst.
Zwischendurch prüfte er verstohlen die Miene der sanften Anada, die nur redete, wenn man sie fragte. Einmal kam es mir so vor, als hätte sie Hans, während er uns mit einem Glas Sekt in der Hand auf einer Mauer balancierend ein italienisches »Trink-, eigentlich Liebesliedchen« vortrug, einen kurzen heißen Blick zugeworfen, aber dann waren die Lider wieder nach unten geschlagen. Sie steckte mit ihren weißen Händen ein Kämmchen um und versank in sich selbst.
Schnell nach Haus, bevor die beiden Flitterwöchner Nachforschungen anstellen! Dahinten, mitten auf dem Weg, was für ein struppiger Umriß! Kein Auge für die Welt drum herum, es hilft nichts, ich muß Schritt für Schritt drauf zu und kann nicht pfeifen und habe keine Warnklingel dabei: Ein Liebenspaar, das sich nicht voneinander trennen kann. Jetzt endlich tun sie’s!
Aber nein, das ist ja der Herr Holterhoff!
Mein braver Nachbar Holterhoff! Der alte Scharwenzler Holterhoff von gestern abend ist das doch! Er lacht, er strahlt, er hatseine Pfeffer-und-Salz-Jacke an und zeigt auf die Person, die er weiterhin im Arm hält, nur etwas abgerückt, eine Mollige im kurzen Sommerkleid, Sabines Alter. Sie kneift mit einer Hand in Holterhoffs Sakko, und er, er gluckst: »Da ist sie, meine Miezel! Sehen Sie nur, Frau Wäns. Endlich habe ich sie herschleppen können. Miezel Terbenzel.«
Miezel Terbenzel! Habe ich den Namen richtig verstanden? Verstanden habe ich jedenfalls, daß sie sofort in meinem Rücken gefragt hat: »Sag bloß, wer ist das denn, du?« »Die Käuzin Wäns, mein Miezelchen«, wurde geantwortet von Holterhoff, dem Verräter.
11. Wanderung
Die beiden Hochzeiter hatten mich gestern durchaus nicht vermißt. Sie beugten ihre Köpfe, als ich in die Küche kam, über die große Schale mit Dickmilch und versuchten, einer dem anderen die schöne goldene Decke unter dem Zimtzucker wegzulöffeln. Man kriegt hier fette Milch, mit der sich das noch machen läßt, vom Bauern. »Ah, Mutter, wir haben dich schon vermißt«, sagte meine herbe Tochter mit einem Lächeln im Gesicht, so schmelzend, daß es mir gegen meinen Willen mütterlich das Herz erwärmte. Kann sie ihr Glück überhaupt fassen? »Frau Wäns, Luise! Ab jetzt Luise, ja?« rief Hans schmunzelnd und sprang auf: »Luise! Die kluge Luise!« Er nahm mich fest in die Arme, um mein Zittern nicht zu fühlen und daß mir die Tränen hochstiegen und aus den Augen springen wollten. Ich putzte mir die Nase mit aller Kraft: »Selbst jetzt sind die Abende draußen noch kühl«, konnte ich danach behaupten, ohne zu lügen. Sabine sagte kein Wort zum Rucksack. Sie achtete gar nicht darauf, erst recht nicht auf sein Gewicht durch die Münzen und den alten Schmuck meiner Großmutter, der Sängerin.
Zu der Dickmilch planten sie am Küchentisch ihre Hochzeitsreise, die selige Sabine und der fröhliche Herr Hans. »Keine Sorgen,Mutter, lange lassen wir dich nicht allein, zehn Tage nur, Wien oder Rom«, sagte meine Tochter mit weichen, rührend geschwollenen Lippen, »ich habe ja Urlaub genommen.« »Höchstens«, rief da schnell mein Herr Hans, »keinesfalls mehr als eine gute Woche, Luise.« Er lachte vor sich hin, ach, die netten Mundwinkel immer noch, und wiederholte: »Kluge Luise, nein nein, nicht mehr als acht bis höchstens zehn Tage.« Hörte sich das nur für meine Ohren an, als hätte er hinzugefügt: Mehr wäre wirklich übertrieben? Sicher weiß Sabine, die doch bei der Bank arbeitet, welchen Beruf ihr Mann jetzt hat, ich meine, welchen Posten mein lieber Schwiegersohn eigentlich beim Naturschutzreferat zur Zeit bekleidet. Man merkt so gar nichts.
Ihr Mann! Mein Schwiegersohn! Ich sage das, weil es extra schmerzen soll, zur Abhärtung nämlich.
Keiner hinderte mich daran, auch heute morgen wieder loszustapfen, mit Strohhütchen, Rucksack und etwas Proviant. Alle haben jemanden, ich habe nur die Landschaft. Nein, nur ich habe die Landschaft! So ist es richtig, auch wenn ich hin und wieder mein Taschentuch brauche, damit niemand was sieht. Sehr grün alles, kein Mensch weit und breit zur frühen Stunde. Hier kann ich fidel ein paar Tränen fließen lassen.
Soll
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