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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Gesicht alles freundlich betrachtete. Hans studierte ihre Hände wie seine schlimmsten Feinde, konnte sich nicht davon losreißen. Er hatte kein Auge für die heitere Stimmung ringsum, nicht für die amazonenhaften Kellnerinnen mit den herausgepreßten Brüsten und kaum für den Mann, der jetzt auf pechschwarzem Roß, einem feuriges Barockpferd, mitten in den Kaffeegarten reinritt.
    Schon stürmte dem Reiter, während die Gäste perplex den Atem anhielten, auf der Mittelachse zwischen den Tischen die junge Chefserviererin entgegen: »Wollen Sie bitte unseren Eingang räumen!« Der geschniegelte Herr lauschte dem Befehl. Von seiner Höhe, den Kopf erhoben, rief er hinab: »Nur, wenn Sie mir ein Himbeereis bringen!« Er bewegte das Tier etwas zur Seite, nach rechts zum Parkplatz und begann sogleich kerzengerade auf dem Pferderücken sitzend, zu telefonieren. Mit schneidendem »Danke«, es lag am peitschenknallenden »e«, entfernte sich, dem Publikum spöttisch zugewandt, die mindestens ebenso stolze Frau.
    Hans, unser sonst so leichtfüßig plaudernder Herr Hans, hatte ohne Unterbrechung über »Pionierbiotope« gesprochen, hörte in seinem traurigen Trotz nicht auf damit. Anada aber drehte sich, um die Szene überblicken zu können, weit vom Tisch weg, wandte ihm also den Rücken zu. Hans redete erbittert weiter, ein bißchen lauter als vorher vielleicht. Es half ihm nicht. Die endlich aufgewachte Anada interessierte, daß die Serviererin mit dem Eishörnchen kam, es dem auf prächtig schnaubendem Roß sich zu ihr neigenden Kavalier hoch aufgereckt reichte, eine Sekunde mit ihm zu einem Bild verschmolz und, ihrer Mimik nach, ein Trinkgeld kassierte, das sie tief überzeugte.
    »Die Kreuzkröte etwa ist angewiesen auf solche Biotope«, stieß Hans böse gegen den Rücken Anadas hervor. Sie reagierte nicht. Da konnte sich Hans nicht länger beherrschen, griff quer über den Tisch weg nach ihrem Kinn und drehte es grob herum zu sich. Ach, das Unglück!
    Es wurde zwischen uns stiller als vorher während der Cornetto-Szene im Gartenlokal. Die empfindliche Haut Anadas rötete sich durch den Druck sofort. Sie starrte ihn mit plötzlich schwarzen Augen, in die Tränen hochschossen, an. Mir fiel die Situation mit der angreifenden Katze auf ihrem Schoß ein, aber diesmal war ihr Blick haßerfüllt. »Unverschämt«, sagte sie leise und danach etwas in einer Sprache, die ich noch nie gehört habe.
    Hans sah sie nicht. Er versank in den Anblick seiner Hand, die ihr Mandelgesicht berührt und malträtiert hatte.
    Alles war unrevidierbar entschieden.
    Nach einer Weile sagte Anada fast zärtlich: »Wenn er abgestiegen wäre, hätte er es nicht geschafft, wieder auf das Tier zu kommen. Er hatte Angst.«
    Mein sechster Sinn verriet mir, daß sie sich damit an Hans rächte. Duckte er sich nicht sogar ein bißchen? Ich erinnere mich noch an zweierlei. Auf dem Rückweg drängte Hans das Mädchen mit wütendem Eifer, ihr Vorhaben so schnell wie möglichauszuführen. Gar keine Ruhe gab er mehr. Er werde das Finanzielle so schnell für sie regeln, daß sie staunen werde. Los, los! Das war nun seine Art von Rache, mit der er sich gleichzeitig geißeln wollte. Als wir aber einen Moment allein gingen, er und ich, seufzte er: »Eine Landschaft, nicht wahr, Frau Wäns, in der man verwesen, pardon, verwesentlichen, Unsinn, verwittern möchte.«
    Wir befanden uns neben dem großen See, den Hans hatte anlegen lassen. Er verlandete. Man sah Röhricht, Schilfgras, Sumpfiris, Birken und Pfade von Tieren. Wo sonst Wasser war, konnte man jetzt herumgehen. Wo die Erde freilag, sah sie aus wie riesige, trocknende Kuhfladen. Hans strauchelte zwei-, dreimal, aber ich tat so, als wäre ich es, die unsicher ging. Ich habe die Welt doch immer als ein Echo großer Bedeutsamkeit erlebt.
    Vom nächsten Tag weiß ich noch, daß ich allein loswanderte. Anada hatte uns früh am Morgen verlassen, um in die Innenstadt zu fahren. Im Wald fällten Männer, ausgerüstet mit Elektrosägen, gepanzert mit Ohrenschützern, Helmen und Schutzbrillen, die jungen Ebereschen mitsamt den Geißblattranken. An dem Teich, an dem ich mich neulich einmal verirrt habe, ich glaube, der war’s wohl, voller Seerosenblätter ohne Blüten, saß eine verschrumpelte Loreley auf einer der verrottenden Picknickbänke. Sie warf dauernd das zerzauste gelbe Haar in die Luft, wie verrückt, wie besessen und biß dabei in eine Laugenbrezel, die sie in der anderen Hand hielt.
    Anada kam erst spät

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