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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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verlassener Mäusenester ausgeräumt hat, stellt sich die Frage, ohne ein Wort darüber zu den beiden »Strohwitwern«, zu Heinz, dem »Irrenarzt« und Hans, dem »Kerkermeister« zu verlieren, ob das vielleicht die blanke, bleckende Einsicht des Alters ist, fern der berüchtigten »Alterslangeweile«, nämlich zu wissen, nicht nur ein bißchen, sondern bis in Mark und Bein zu begreifen, daß der Tod mit rasend gesteigerter Wahrscheinlichkeit tatsächlich überall zuschlagen kann, am grüngoldenen wie am blaudunstigen Waldrand, im sicheren Haus, beim Kauf einer neuen Wetterstation, beim Wein, in der Bank, im Bad, im Bett. Kann zuschlagen, während man amüsiert im Zugbegleiter liest »… speziell für Paare und Kleingruppen bietet Meropa 3tägige Städtetrips mit nicht alltäglichem Programm« und sich fragt, ob die Anzüglichkeit zufällig oder beabsichtigt ist. Kann zuschlagen, wenn man in den Zügen die sich todfern fühlenden Laptop-Leute in den schwarzen Anzügen ihre Jacken aufknöpfen und die Krawatten ein wenig lockern sieht: Wie sie untereinander das Wort »BILD-Zeitung« aussprechen, als wäre es der Name eines Rabattmädchens, das schon jeder von ihnen mal gehabt hat und bei Bedarf jederzeit bis zum Umfallen wieder kriegt. Kann zuschlagen, während man einem jungen Schachfreund erklärt, daß der »Altersstarrsinn« nur der letzte Haltegriff ist gegen das allgemeine Gleiten und Ausrutschen der Dinge, an denen man früher nur den Stillstand wahrgenommen hatte.
    Kann zuschlagen rund um die Uhr? Nimm getrost Gift drauf. Ohne den lächerlichsten Spalt zum Entschlüpfen.
Nur nachts
    Gibt es ein größeres Glück, fragt sich rhetorisch Frau Sykowa, als in den Armen dieses Mannes einzuschlafen und vorher an seinen großen Kopf und sein großes Herz zu denken? Wenn nurnicht manchmal die Schlaflosigkeit wäre und dazwischen die schrecklichen Träume. Aber wegen des Glücks im Wachen sind sie ja, sobald Frau Sykowa die Augen aufschlägt, vorbei, sind null und nichtig wegen des Glücks, die Alpträume.
    Nur, wie gesagt, das lange Liegen, die Schwärze, die Gedanken, während er schläft. Und dann die halbe, vielleicht auch ganze Stunde am frühen Nachmittag immer, die dürfte strenggenommen auch nicht sein.
Häuser
    »Die Schicksale in den Häusern oder umgekehrt«, erzählt die Fotografin Babs bei der Gymnastik, »die so steinern und stabil dastehen, so putzig und prächtig, die werde ich demnächst porträtieren, so daß man die Unfälle und Neurosen der Erwachsenen, die vernachlässigten oder die fehlenden Kinder darinnen ahnt, den Ernst, der durch die Ritzen und über die Zäune dringt, unselige Häuser, die zusammengeschlagen und ausradiert werden. Kein Auge soll trocken bleiben.«
    »Da wünsche ich viel Glück«, sagt Elsa, ganz erschossen zur letzten Patientin des langen Tages.
Liebe Herta,
    Frankfurt a. M. Das muß ich Dir sagen: Es erbost mich, wenn jemand im gewöhnlichen mitmenschlichen Verkehr über die ihm von mir zugebilligte Position hinausgeht! Ich kann großherzig und demütig sein, aber ich ertrage nicht, wenn sich jemand im Privaten über mich erhebt. Über mich: niemals.
    Deine Ruth
Liebe Ruth,
    was ist denn jetzt schon wieder los?
    Ich sitze hier in meinem Pavillon und lese gerade, daß man in Bangkok die Orang-Utans für Touristen zum Boxen gegeneinanderzwingt. Wenn sie nicht wollen, und sie wollen natürlich nicht, setzt man Stimulantien und Prügelstrafen ein. Und wir hier, wir geben uns solche Mühe mit den Tieren! Man könnte die Hoffnung verlieren.
    Herta
Liebe Herta,
    was haben Deine boxenden Affen mit mir zu tun?
    Das ist ja so, als würde ich Dir von einem Staatsminister berichten, den ein Professor genießerisch als seinen ehemaligen Zahnarzt bezeichnet und den ein Buchhändler bei derselben Gelegenheit bewundert, weil er sich in der Buffetschlange ordentlich eingereiht hat wie jedermann.
    So, jetzt kannst du Deine Affen wieder boxen lassen!
    Ruth
Kinder
    Auch Ilse hat eben im Wartezimmer davon gelesen. Elsa weiß gar nicht, wie das nervöse Mädchen zu beruhigen ist, das jetzt im Behandlungsraum mit den Zehen Papier in Streifen reißen soll. Es hat die schmächtigen Schultern eng an den Hals gezogen, es hält die Füße ganz steif, als hätte es alle Übungen, alles, was Elsa so geduldig mit Ilse trainiert hat, verlernt.
    »Ist was?« fragt Elsa beiläufig, damit es keinesfalls forschend klingt. In ihrer Hilflosigkeit versucht sie, beschwingt zu lächeln. Ilse schüttelt den Kopf,

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