Gewäsch und Gewimmel - Roman
gingen, da sind mir die Tränen gekommen und gegen meinen ausdrücklichen Willen aus den Augen gequollen. Sie hat überhaupt nichts gemerkt davon, die immer so fröhliche Frau, und mir statt dessen schnell Neues von einer kleinen Patientin erzählt, vom komischen Kind und Mädchen Ilse, so daß ich nach kurzer Zeit den Kopf wiegen und lachen konnte und sogar ein bißchen Rat geben sollte.
Eines nassen Abends klingelte der zutrauliche Finnland bei uns. Es wurde schon früh dunkel, mit jedem Tag und in Sprüngen. Da stand er auf seine hölzerne Art in einem gewaltigen Regencape, wie er es gewiß an seinen ungemütlichen Arbeitsplätzen trägt, hinter ihm kam der Vollmond zum Vorschein. Bevor Finnland vollständig eingetreten war, bedeckten den Mond wieder dünne Wolken. Das sah beinahe noch schöner aus. Finnland ahnte gar nicht, daß sein Auftauchen vor diesem unwillkürlichen Hintergrund dramatisch auf uns wirkte, dabei kündigteder Himmel, vielleicht nur aus Versehen, die Nachricht, die er uns brachte, stimmungsvoll an. Es ergab sich, daß es Finnlands letzter Besuch im Tristanweg war. Auch er machte bei der allgemeinen Zerstreuung mit.
Weder Sabine noch ich konnten hinterher sagen, warum er eigentlich aus Dunkelheit und Nässe noch einmal, als es hier schon stiller und stiller wurde, bei uns aufgetaucht war. »Mir zuliebe weiß Gott nicht!« entfuhr es rauh dem trübsinnigen Wesen, das meine eigene Tochter ist, die mir einerseits noch verhärmter als in den vergangenen Monaten zu sein schien, zwischendurch dann jedoch für Momente heiter, fast ausgelassen, ohne daß ich einen Grund dafür bemerkte. Finnland sah, nachdem er sich gekämmt und das wunderliche Cape abgelegt hatte, ganz manierlich, sogar ein wenig gelenkiger als sonst aus. Er bekam einen Tee, ein Gläschen Rum und ein Wurstbrot. Das machte ihn gesprächig und sollte es auch, denn wir ahnten beide, daß er Aufschlußreiches aus unserem ehemaligen Trupp wußte, es allerdings kavaliersmäßig geheimhalten wollte. Nein, gekommen, um uns das von Magdalena auszuplaudern, war er ursprünglich sicher nicht.
Es hatte sich spätestens nach Anadas Abreise so entwickelt, daß er gelegentlich bei Zocks eingeladen war, dort auch die Galeristin mit und ohne Bäder traf. Aha! Hier warf mir Sabine einen ihrer verletzten Blicke zu, äußerte sich aber glücklicherweise nicht zu der Kränkung, die ihr durch diese Information widerfuhr. Man speiste bei der Frau, meinte Finnland arglos, wie wir wüßten, immer ausgezeichnet. Das konnte einen Junggesellen schon anlocken. So glanzvoll wie einstmals in der Gegenwart des gutgelaunt residierenden Herrn Scheffer habe sie die Essen zwar dann nicht mehr gestaltet, aber Magdalenas Braten und Brunos Wein – ach, die duzten sich jetzt also ohne Hemmungen hinter unserem Rücken! Seit wann? Es war uns bei der Beerdigung nicht aufgefallen – seien doch ein tröstlicher Kontrast gewesenzu dem eher kummervollen Thema ihrer Zusammenkünfte, an denen die Kinder, bekanntermaßen der ganze Stolz des Ehepaars, immer nur zu Beginn teilgenommen hätten, und das offensichtlich auch nur, um sie für den gesellschaftlichen Umgang zu trainieren, so daß man bald ungeniert vom Leder habe ziehen können. Doch, so drückte sich der schüchterne Herr Finnland aus: »vom Leder ziehen«.
Natürlich, es wunderte uns nicht, drehte sich das Gespräch um die Veränderungen von Hans. Nachdem man zunächst verständnisvoll, wenn auch nicht ohne Steinertsche Ironie über die mißglückte Liebesaffäre geredet habe, deren Ausgang sie Herrn Scheffer von vornherein hätte prophezeien können, so Iris – hier plinkerte Finnland auf eine bei ihm sehr ungewohnt vielsagende Weise –, auch über die Vernachlässigung seiner Arbeit und Aufsichtspflicht im Naturschutzgebiet, die Bruno zu Ohren gekommen sei, und die sich unselig kombiniere mit beunruhigenden Plänen der Stadt, habe man sich ausschließlich seinem rücksichtslosen Benehmen gegenüber dem Kreis der Freunde gewidmet.
Finnland senkte geniert den Kopf. Es wird hoch hergegangen sein unter den Rachsüchtigen mit den Anschuldigungen, von Mal zu Mal ungezügelter. Selbst Ritter Zock, selbst der steife Finnland muß zu den Verschwörern und Königsmördern gezählt werden. Darüber gab mir dessen schuldbewußtes Kopfeinziehen laut genug Auskunft.
»Alles Hetzreden aus enttäuschter Liebe«, lachte Sabine in der Nacht, als Finnland gegangen war, ein bißchen zu schrill. In einem ihrer schönen Augen war ein
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