Gewäsch und Gewimmel - Roman
Mann.
Überfall im Naturschutzgebiet
In einem flußabwärts gelegenen Naturschutzgebiet, dem westlichsten der Stadt, ist es im späten Frühjahr zu einem heimtückischen Raubüberfall auf eine rüstige und erfahrene Wanderin gekommen. Leider konnte das Verbrechen bis heute nicht aufgeklärt werden. Bei dem Opfer handelt es sich um eine gewisse Luise Wäns.
Frau Wäns, Enkelin der zwischen den beiden Weltkriegen berühmten Sängerin Anna Hornberg, hat dort täglich, meist allein, unerschrocken bei jedem Wetter ihre Runden gezogen. Ihre Tochter Sabine Scheffer äußerte die Ansicht, die Mutter habe die Tat durch das sinnlose Tragen eines mit Geld und Schmuck gefüllten Rucksacks geradezu herausgefordert und Warnungen verstockt in den Wind geschlagen.
Die Frau, die mit gebrochenem Hand- und Fußgelenk, einer Rückenverletzung sowie Blutergüssen am ganzen Körper erst circa zwei Stunden später, nach offenbar längerer Bewußtlosigkeit hilflos am Boden liegend aufgefunden wurde, stand zunächst unter Schock. Später glaubte sie sich an den Tathergang zu erinnern, konnte aber nur von einem groben Rütteln und Niederstoßen berichten. Der Urheber des äußerst brutalen Vorgangs blieb für sie unsichtbar, da er ihr sofort von hinten eine Mütze über den Kopf gezogen hatte. Ein Mann müsse es gewesen sein oder eine muskulöse Frau. Die Vernehmung der Waldarbeiter aus dem nahen Staatsforst sowie eines gewissen Herrn Holterhoff und seiner Verlobten Miezel Terbenzel verlief ergebnislos. Vom Angreifer wie vom Rucksack fehlt nach wie vor jede Spur. Der Täter oder die Täterin hat vermutlich die Frau schon längere Zeit beobachtet, wenn sie den Inhalt des Rucksacks sorglos, beinahe wie einen Köder auf einer Bank vor sich ausbreitete, was, um es noch einmal zu sagen, von großem Leichtsinn des eher gebrechlich gebauten Opfers in einem an Alltagen so einsamen Gebiet zeugt.
Die frisch verheiratete Tochter, die am nächsten Tag mit ihrem Mann, der verantwortlich für das Bemühen um Renaturierung des ursprünglich von der Eiszeit geprägten Areals zeichnet, eine Hochzeitsreise nach Wien antreten wollte, mußte mit Rücksicht auf die Mutter nach eigener Auskunft »schwersten Herzens« die Fahrt aufschieben.
Später scheint das Paar den Plan vergessen, ihn einfach aus den Augen verloren zu haben.
Jener wohl unverdächtige Nachbar Holterhoff aber fand am nächsten Tag in dichter Folge mitten auf dem Weg 1. eine eben angerauchte Filterzigarette, 2. einen verschmutzten Strohhut, 3. einen Euro. Allerdings stellte sich das Geldstück dann als Flaschenverschluß heraus. Auch befand sich der Ort etwas entfernt von dem der Attacke auf Frau Wäns.
Rätsel
Die Krankentherapeutin Elsa ist nun wieder häufig helfender Gast im Tristanweg 8. Sie versucht, Luise Wäns nach den Operationen behutsam auf das Gehen vorzubereiten. »Blühen schon Odermennig und Johanniskraut?« fragt Frau Wäns sie an zuversichtlichen Tagen. »Leuchten im Dunkeln unsere Nachtkerzen noch nicht?« Sie erzählt Elsa wieder von den Jägern, die in auseinandergezogenen Ketten auf die Hasen losmarschierten, von dem Mädchen Anada, dem die Katze blutig den Arm aufgerissen hat und von Metzger Hehes Spruch über den Tod und den Geschlechtsverkehr nach seinem schweren Anfall damals. Sie will von Elsa wissen, wie die drei Szenen zusammenhängen. Es ist ihr noch immer wichtig, dahinterzukommen. Als wäre da was.
Aber was sollte da sein?
»Was macht der Wegesrand? Wie weit sind die Weidenröschen und die Brennesseln?« fragt sie und weigert sich – auf den eigenen Füßen ins Freie zu gehen verlangt ja keiner von ihr –, wenigstens im Rollstuhl nach draußen zu fahren. Sie sagt niemandem, warum. Man begreift’s nicht. War die Landschaft da draußen nicht ihre große Liebe? Sie erzählt, wenn Elsa ihr die Beine massiert, von den Leuten, die in ihrem Haus verkehrt haben, und auch ein bißchen, dann immer mehr vom Herrn Hans, König Hans, Hans vom kleinen Hochmoor.
»Sind draußen die Gräben schön gefüllt?« Das verblüfft Elsa. Die Frage könnte genausogut von einem anderen stammen, von Jan Sykowa nämlich.
Fritzles Frage an sich selbst
Gut, daß der kalkbleiche Zuwider Fendel nach München verschwunden ist. Da soll er auch bleiben. Jedoch jetzt, wo niemand mehr beim Schachspielen von außen durch die Scheiben starrt, fragt sich Fritzle was.
Fritzle, der immer ein witziger, legerer Mann sein wollte und heute nachmittag aus seinem Gartenhäuschen eine Menge
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