Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
die genaueste Prüfung des Erinnerungsbildes beim besten Willen nichts anderes zutage befördert. Nein, nicht schön, nicht hübsch, nicht anmutig, nicht ansehnlich. Wäre es nicht zu herzlos, was er ablehne gegenüber Frauen, müsse man sagen: häßlich. Und doch, fuhr er sogleich fort, bevor die beiden Zuhörerinnen wegen der Unvollkommenheit des irdischen Glücks erleichtert oder enttäuscht aufseufzen konnten, sei gerade diese Häßlichkeit, die ihn im übrigen nicht überrascht habe, da sie ihm von vornherein als Gerücht bekannt gewesen sei, das Interessanteste für ihn. Gerade der Umstand, daß sie äußerlich nicht anziehend seien, mache sie zusammen mit der prächtigen Wohnung so verwunschen und akzentuiert und kröne ihm das Pariser Mysterium, ja, gerade ihre dreifache Häßlichkeit!
    Hier sprang Sabine auf. Sie stürzte aus dem Raum. Den ersten Schluchzer hörte man, bevor die Tür geschlossen war. O je! Hanshatte den wohl nur ihm spürbaren Zauber des Häßlichen in schönster männlicher Unschuld besungen. Er starrte Luise Wäns ratlos, aus allen Wolken seiner Geschichte fallend, und eigentlich mitleidheischend um Erklärung bittend, an.
    Er müsse Sabine vermutlich einmal wieder sagen, was für wunderschöne Augen sie habe, meinte Frau Wäns vorsichtig verschwörerisch, hätte aber lieber ihre »Kleine« draußen getröstet, noch lieber gar nichts gesagt und nur sein kindlich betrübtes Gesicht geküßt. Ob er es merkte? »Jetzt«, sagte er eifrig, »ist die Wohnung der legendären drei Schwestern verkauft worden. Alle drei fanden partout keine Art und Weise, darin zu leben. In ihrem Viertel sind diese reichen Frauen immer als Arme verkleidet herumgegangen mit einer Plastiktüte statt einer Handtasche, aus Angst, beraubt zu werden. Eine kanadische Geschäftsfrau hat das Ganze kürzlich für viel Geld erworben, nur, um dann, wenn sie in Paris ist, nach einigen Umbauten dort elegante Empfänge zu geben.«
    Eines Tages, nahm sich Frau Wäns fest vor, werde ich ihm von Anna Hornberg und vor allem von meinen drei Dingen erzählen, von den Jägern, dem Mädchen und dem Metzger. Vielleicht weiß mein Herr Hans, mein lieber Herr Hans, ja die Lösung, den Sinn?
    Aber da fragte er plötzlich: »Sofort? Soll ich sofort hinter ihr hergehen und das mit den schönen Augen sagen?« Er lächelte nicht länger, sein Gesicht war dunkelrot geworden, wie vor Tagen, als unglücklicherweise der Name Anada fiel. Luise verstand ihn in diesem Augenblick nicht mehr, sah ihn nur ängstlich an. Er atmete schwer, beherrschte sich aber. Wie sehr sie jede Linie, jede Furche seines Gesichts kannte und liebte! »Ich muß bei mir nach dem Rechten sehen«, sagte er mühsam, verließ sie und tauchte erst sechs Tage später im Tristanweg wieder auf.
    Frau Wäns wollte es nicht wahrhaben, gestand es sich jedoch ganz heimlich ein: Nicht nur sie, auch Hans ging anders als früher.Irgendeine kleine Veränderung ins Schiefe hatte stattgefunden. Draußen aber würden bald pünktlich Mädesüß und Gilbweiderich entlang der Gräben blühen, wie die sommerlichen Sternbilder, so treu und felsenfest.
Molekulare Systeme
    Auch die Darstellung der botanischen Systematik sei mit deren Wandel von der morphologischen zur molekularen Gruppenbildung im Umbruch. In allen Botanischen Gärten, besonders den wissenschaftlich-universitär ausgerichteten, seien heftige Umbauarbeiten im Gange, sagt Sabine mit strenger Miene, als wäre Frau Wäns die Schuldige. Sie, Sabine, wisse es von Hans, der kaum noch Studenten zum Entkusseln kriege, weil die jungen Leute lieber ins Labor wollten, statt in der lästig leibhaftigen Natur lästige Birkenschößlinge zu entfernen. Sie würden ihre Objekte auch, wie ihre Lehrer, die molekularen Systematiker, kaum noch von der Gestalt her identifizieren können. Den organistisch orientierten Professoren habe jedoch immer gerade das am Herzen gelegen.
    Zwar bleibe die große evolutionäre Tendenz erhalten, aber durch die Möglichkeiten der DNA-Analyse ergäben sich Erkenntnisse, die etwa Orchideen plötzlich zu den Spargelgewächsen zählten.
    Und doch, sagt sich Luise Wäns, hat mir dieser selbe Hans gestanden, er gerate bei Gewitter draußen in der Landschaft ganz kindisch in Panik: »Denn der Blitz, der läßt das Mausen nicht!«
Noch einmal dieser Duft!
    Frau Sykowa liegt im Bett, als ihr Mann in der Küche den Frühstückskaffee kocht. Durch die offene Balkontür stürmt und flutet Wiesengeruch ins Zimmer. Sie breitet auf roten

Weitere Kostenlose Bücher