Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
ließ am nächsten Tag aber eine doppelte Türkette installieren.
Also doch!
    Der Frauenarzt Herzer, den man, da er nun getrennt von seiner allzu dünnhäutigen Jeanette lebt, öfter als sonst allein, und das in schlechter Haltung durch die Stadt gehen sieht, beobachtet wieder was. Diesmal überrascht es ihn, weil es dermaßen der Überlieferung entspricht. Man behauptet, gerade die Armen seien großzügiger im Spenden als die Reichen. Ob das denn stimmt? Herzer sieht eine hinfällige Gestalt mit einem Becher für Almosen auf dem Asphalt hocken. Vor ihm, Herzer, bewegt sich eine plumpe Frauensperson, zerzaust, in schäbigem Mantel, schlurft flink geradeaus, wie es sich in der Stadt gehört. Da, tatsächlich, im Gegensatz zum übrigen eiligen sogenannten Passantenstrom biegt ausgerechnet sie auf der Höhe des Bettlers ab, beugt sich ein bißchen hinab zu ihm, legt eine Münze in die Blechdose und ist weiter. Herzer macht sich an einem Schaufenster zu schaffen: Nein, kein einziges Almosen in den nächsten Minuten, keine bedürftige Person, wie die Spenderin eben, in Sicht.
    Und sieh an, auch er, Herzer, ist nachdenklich, aber tatenlos davongeschritten.
    »Der Patientenstrom, Passantenstrom, Patientinnenstrom«, murmelt er statt dessen vor sich hin, »hat sich vor der schwesterlichMildtätigen geteilt und hinter ihr wieder geschlossen.« Murmelt es, zufrieden, ja ein bißchen stolz auf seine Erkenntnis, ohne Spendengabe vor sich hin.
Falsch? Schon recht?
    Frau Wäns ist es ein Rätsel. Wen könnte sie um Auflösung bitten? Sie erfährt gerade von der Galeristin Steinert, von Iris mit dem Silberblick, die sie heute besucht, vielleicht nur, um im Haushalt Wäns/Scheffer zu spionieren, daß dem sterbenden Hehe, als Ilona bereits auf Wunsch des Metzgers einen Priester gerufen hatte, ein ins Zimmer geschlüpfter Pfleger noch schnell zwischendurch den Witz von dem Arzt, der »Amputationen zum Schnupperpreis« anbot, erzählte, worauf der Kranke sich wortwörtlich totgelacht habe, noch bevor der Geistliche eingetroffen sei.
    Wie aber lautet nun das Urteil über Pfleger und Vorfall?
Die Kapverden? Warum nicht
    »Kammerjäger Gadow ist schon wieder beim Planen«, berichtet Fritzle dem »Irrenarzt« und dem »Kerkermeister«. »Anfang des nächsten Jahres will er mit seiner unruhigen Frau, die wir leider oder gottlob alle nicht persönlich kennen, auf die Kapverdischen Inseln. Blumenfreunde sind ja beide. Er hat mir erzählt von einer Mischung aus ›afrikanischem Flair, portugiesischem Einfluß und der Lebensfreude Brasiliens, entstanden aus der Geschichte von Kolonialismus und Sklavenhandel‹, begeistert im Tonfall, dabei aber so zweifelnd, so grüblerisch aus der Wäsche kuckend. Ich weiß nicht, ich weiß nicht.«
    »Kapverdische Inseln? Das ist keine Lösung«, sagt der »Irrenarzt«.
    Plötzlich brüllt der »Kerkermeister«: »Unruhige Frau? Der Kerl ist im besten Alter! Der sollte sie in die Kammer, durch die Kammer und notfalls wieder aus der Kammer jagen.«
    Stille. Weiter wissen auch sie nicht.
Bittere Leckerbissen
    Auch wenn sich Frau Wäns dickköpfig weigert, im Rollstuhl das Haus zu verlassen oder wenigstens an Krücken in den Garten zu gehen, vergessen hat die Welt sie keineswegs. Frau Magdalena Zock kommt nach höflicher Anmeldung in den Tristanweg und bringt sehr guten Artischockensalat, Parmesanplätzchen und Kichererbsenpastetchen für die Kranke vorbei. Bei dem vorangegangenen Telefonat war deutlich festzustellen, daß sie sicher sein wollte, keineswegs Hans Scheffer zu begegnen, der jetzt so unerwartet Herr im Haus ist. Früher hätte sie es unbedingt und jederzeit darauf angelegt. Und doch fragt man sich, ob die von Hand zubereiteten Köstlichkeiten nicht in Wahrheit für ihn gedacht waren, nicht, um ihn zu erfreuen, sondern um ihm zornig sein ewig verscherztes Glück – vielleicht in allergeheimster Hoffnung auf zukünftiges? – vor Augen zu führen.
    Doch, wir Frauen sind so!
    Und auch so: Iris Steinert, die glitzernde Libelle, schnüffelt dann und wann im Haus Nummer 8 herum. Nie ist sie bisher auf Herrn Hans gestoßen, nach dem sie nicht zu fragen wagt, oft auf Sabine, deren »überströmendes Glück geradewegs zum Himmel schreit«, wie sie jedesmal Frau Wäns gegenüber äußert (auch vom »unversch-, ich meine unglaublichen Glück Ihrer Tochter« gesprochen hat), manchmal auf Elsa, deren feuerrote Haarpracht die Galeristin scharf herausfordert. Aber erstens ist die Farbe im Prinzip echt, zweitens

Weitere Kostenlose Bücher