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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Kleinkinder mit Sturzhelmen auf dem Kopf klettern still auf ihnen rum. Plötzlich Versäumnisgefühle: Was habe ich verpaßt? Das hier? Ach was, nicht das, nur das, was das Bild mir vormacht.«
    In einer alten Jacke hat schließlich seine Frau irgendwann noch ein letztes Zettelchen entdeckt: »Um vier Uhr früh ging es mit dem Fahrrad los. Bloß weg. Ich war außer mir. Erst wenn, Richtung Holland, um mich alles fremd wurde, habe ich mich beruhigt.« Meint er etwa, dachte seine Frau da für einen Augenblick im Anflug von Rührung, den Urlaubsbeginn aus seiner Zeit als Schneiderlehrling?
Krieg und Frieden
    Timo Brück und Agnes Dillburg, nicht mehr jung, ziemlich frisch verliebt, machen abends oft Ausflüge in die Umgebung. Heute, als sie auf einem kleinen Kirchenvorplatz aus dem Auto steigen und die gute Landluft atmen, ruft Herr Brück: »Die gute Landluft!« Agnes: »Der dörfliche Frieden!«
    Da schreit eine Frauenstimme:
    »Tierquäler, verfluchter. Sie. Sie!
    Sie werfen mit Steinen nach meinem Pferd!
    Sie binden meinen Hunden Stöcke an den Schwanz!
    Sie jagen meine Katzen!
    Alle meine Tiere werden von Ihnen verfolgt.
    Sie hassen sich ja, Sie!
    Sie! Quälen Sie sich doch selbst!«
    Herr Brück wird, trotz des Verliebtseins, sehr aufgeregt. Da, vor einem tadellosen Bungalow, steht die wie in hoher Not schimpfende Frau in schweren Schuhen mit einem geschienten Arm. Der Mann, gegen den sie wettert, geht vor seiner Garage hin und her, feixt und sagt. »Betreten Sie ja nicht mein Grundstück! Sie!«
    Da reißt sich Timo des schönen Abends und Agnes’ wegen zusammen. Er lächelt: »Mein Arzt, ich meine der hilfsbereite Mensch und Tierarzt von meinem verstorbenen Hund Rex, ist heute nach Wien geflogen, um dort im Zoo zwei Panther zu operieren. Sie übertragen es direkt in die Universität, wohl für die Studenten.«
    Agnes lächelt zurück, aber eigentlich nur vor sich hin. Sie denkt an ihren Bruder, den guten Geistlichen, der gestern abend in der kurzen Unterhose am Fenster saß und den losgetretenen Hosensaum, wie er es seit Jahren gewohnt war, mit Nadel und Faden befestigte.
    So lächeln sie, so erinnern sie sich, damit die Welt nicht allzu bösartig erscheint.
Eins aus dem anderen
    Tristanweg. Hans kommt am Samstagmorgen die Treppe herunter und fragt, in der Küchentür stehend, die beiden Frauen: »Habt ihr einen anderen Ausdruck für ›herkömmlich‹ parat? ›Herkömmlich‹ und ›althergebracht‹: Was anderes fällt mir in meinem Vortrag nicht ein.«
    »Althergebracht wie die Kuckuckslichtnelke«, sagt Luise Wäns und stiftelt dabei Möhren. »Wäre Mai, würde sie blühen, und der Kuckuck würde rufen. Ich habe noch nie einen in der freien Naturgesehen, auch noch nie auf den Möbeln der armen Leute, wenn die Gläubiger kommen. Wäre jetzt Mai, gingen die Gläubigen in die Marienandacht. Maria Demuth hat geheiratet, ganz in Weiß, traditionell, konventionell, kanonisiert, üblich, überliefert.«
    »Nach Großvaterart, Hans«, schneidet Sabine ihrer Mutter scharf das Wort ab.
Erwin in der Leere
    Der ehemals tüchtige Sanitärunternehmer und Westfale Erwin geht allein durch die Landschaft. Stille, Menschenleere, herrlich.
    »Täglich krasse Kriegsfilme. Nur sterben die Leute wirklich dabei. Die Erde verglüht aus allen vier Weltgegenden und Weltursachen«, sagte er laut, »gäbe es doch wenigstens ein Weltverschwörungsstübchen, in dem die drei, vier einschlägigen Parzen ihr Süppchen kochen!« Nach einer Weile fällt ihm etwas auf: Wo sind denn die Leute hin? Die sind ja weg. In Wahrheit gehen doch alle auf dem Zahnfleisch durchs Leben, auch wenn sie das noch so sehr verstecken wollen. Die haben eine Nachricht gekriegt. Die sind schon auf der Flucht. Nur ihm, Erwin, wurde nichts gesagt. Die haben ihn im Stich gelassen!
    Flausen, sagte er sich kopfschüttelnd, Flausen und Einfälle, die mir ähnlich sehen. Dabei geht er immer schneller, immer schneller.
Einsicht I
    Hans, auch Hannes Keller, dem Komponisten, wird weiterhin wie auf Verabredung der Erfolg verweigert. Seinem Vater gefielen Shantys, die Musik seines Sohnes bezeichnete er als »Katzenmusik«, auch »Affenmusik«, gar nicht sehr böse gemeint. Bei aller Bereitschaft, ein fast mitteloses Leben zu führen, bei aller jugendlichen Tapferkeit hat Keller jetzt manchmal das Gefühl, dieganze Welt dächte so. Es zeigen sich allmählich bei ihm Erosionsspuren. Eines Morgens, bei der zweiten Tasse Kaffee, passiert es. Erstens fällt ihm ein Bluterguß am

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