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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Verlorenheit? fragte er sich in der Nacht.
    In dieser Nacht, erfuhr Alex am nächsten Tag, hat ein inzwischen gefaßter Mann Albert, einen hochanständigen Freund von Alex, der seit Jahren vor einem Bordell einen kleinen Stand mit Thüringer Bratwürstchen unterhielt – immer sehr reelle Ware, topreeller Preis – für 28 Euro getötet. »Dabei hatte sich Albert toll rausgemacht! Früher war er Müllmann und so dick, als würde er den Müll selbst essen. Dann wurde er eines Morgens wach mit dem Satz: ›Ich will Thüringer verkaufen, ich will unbedingt Thüringer Würstchen verkaufen!‹«
    »Doch nicht wegen 28 Euro getötet«, tröstet ihn nun seine Frau, deren früherer Mann degradierter Verkaufsleiter bei Lidl war, unter Depressions- und Wutattacken litt und schließlich Selbstmord beging, »sieh mal, der Täter hat ja vorher nicht gewußt,wie wenig Geld dein Albrecht bei sich hatte! So eine böse Enttäuschung: Mörder bis in alle Ewigkeit, und dann die bescheidene Einnahme als Gegenleistung!«
    Sind die Frauen denn alle Ungeheuer? »Mein Albert, nicht mein Albrecht«, sagt Alex lieber nur und möchte ein bißchen für sich sein. Er wird Alberts Bruder Tommi anrufen müssen, der von morgens bis abends Pakete austrägt, im Schweinsgalopp die Treppen rauf- und runterrennt, denn er wird nach der Menge der ausgelieferten Stücke bezahlt.
Gemischte Gesellschaft
    An einem Augustnachmittag waren Elsa und ihr Freund Gäste bei Leuten, die sich mit großer Anmut durch die Sommerluft und ihren Reichtum bewegten. Eine Gesellschaft von etwa vierzig Leuten jeden Alters befand sich zwischen Wohnräumen, Terrasse und Garten. Wie die Enden buntgefärbter Girlanden trieben Rudel kleiner und heranwachsender Kinder zwischen den Erwachsenengruppen, die winzige Köstlichkeiten aßen, in der Dämmerung viel Gutes tranken und sich halsbrecherische Pointen an den Kopf warfen. Überall herrschte eine lässige Heiterkeit, wirklich, ohne Ausnahme, wohin Elsa auch sah.
    Eine kleine, fast muskulöse Frau hatte gerade ein Buch über einen Scharfrichter geschrieben, eine andere, was für ein Zufall, eins über eine Leichenwäscherin des Mittelalters. Die erste war an diesem Tag schon dreimal schwimmen gegangen und zweimal rudern, die andere lackierte sich plötzlich im Kerzenlicht die Fußnägel unter Verwendung eines Schaumgummizehentrenners. Dabei saß sie auf einem Terrassentreppchen.
    Die schwarze Nacht stand nun feucht um den lauten Garten herum. Wenn nur der Tod nicht gewesen wäre, der langmütig, dann plötzlich witternd Ausschau hält, der mit dem Knochenfinger zeigt: »Der und der und, und … und diiiiiiie!« Andererseits, sagte sie sich und sagte es nicht zu ihrem Freund, werden in NepalLeprakranken, die ihre Augen nicht mehr schließen können, von internationalen Spezialisten die Lidmuskeln mit den Kaumuskeln verbunden. Diese Kranken kauen deshalb den ganzen Tag Kaugummi, nur in der Nacht nicht.
    Aber natürlich, auch da eines Tages: »Der und der und, und … und diiiiiiie!«
Trügerisches
    In Vorfreude auf den Besuch von Dillburg hat Frau Fendel etwas geträumt. Ein Priester, wenn auch nicht Dillburg, stand auf der Kanzel und starrte seine Gemeinde an. Von seinem Gesicht konnte man seinen Gedanken ablesen. Er lautete: Gut, wenn die alle glauben, will ich es auch versuchen! Die Leute untereinander starrten sich daraufhin ebenfalls an. Jeder las im Gesicht des Nebenmannes den Satz: Gut, wenn dieser gutaussehende Mensch rechts von mir und dieser klugaussehende links von mir noch glaubt, dann versuche auch ich es weiterhin!
    Sie erzählt es Dillburg lieber nicht, dafür aber dies: »Ich meine nicht Sie, Sie nicht, Herr Dillburg, aber meist bleiben die Messen und Predigten doch hinter dem zurück, was das Glockengeläut, die Orgel, die Kirchengewölbe vorher versprochen haben. Und jetzt passen Sie auf«, sagte Frau Fendel, weil sie sonst nichts zu berichten hatte. »Heute habe ich meiner Katze, von Küchenstuhl zu Küchenstuhl, beim Frühstück lange in die Augen gesehen, in die hellen, schrägen Augen.«
    (Was sie Dillburg ebenfalls nicht gestand: Letzten Sonntag hatte sie am pelzigen Köpfchen des Tieres alle Einzelheiten des unter dem Fell wohlverborgenen Schädels ertastet und plötzlich davon Herzklopfen bekommen, kurz davor aber, wenige Minuten davor, erschrocken bemerkt, daß sie außer in der schnurrenden Katze aus Gedankenlosigkeit auch im summenden Kühlschrank ein zufriedenes Tier vermutet hatte, bestimmt eine halbe

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