Gewäsch und Gewimmel - Roman
daß hinter den eilig vorüberschwebenden Gesichtern etwas Grundsätzliches erscheint, Grundsätzliches oder Allgemeines? Etwas wird verengt zu einem Gesicht, versteift sich ein Weilchen zu einer Person. Dahinter aber geht es ins Bodenlose. Hilfe, mir wird schwindlig.«
Wer da wohl zuhause ist?
Manchmal trifft Alex noch den Kurden Goran, den Bruder seiner früheren türkischen Freundin, mit der es dann nichts wurde. Was für ein liebenswürdiger, intelligenter und ungewöhnlich schöner Mann! Hat nach türkischer Grundschule hier den Hauptschulabschluß nachgeholt, nutzte ihm leider überhaupt nichts. Allerdings, meint Alex, zu schmächtig, für das Lebenhier nicht hart genug. Goran rackert sich als Aushilfskraft am Bau ab und an den Wochenenden schwarz, auch dort, wo die Fotografin Babs Roeland wohnt, übernimmt alles, putzt sogar, arbeitet durch, schont sich nicht, hat sehr wenig Geld. Aber immer wie aus dem Ei gepellt!
Wie hält er’s mit den Frauen? Er besitzt schon eine, ist richtig verheiratet mit einer viel älteren Deutschen, die erwachsene Kinder hat. In der letzten Zeit ist sein Blick schwermütig geworden. Wenn er sich von ihr trennt, was ist dann mit der Aufenthaltsbewilligung? Er verdient zu wenig regulär, das ist es. Alex weiß keinen Rat. Beide stehen vor einer prächtigen Villa aus der Zeit der älteren Jahrhundertwende. »Von Grund auf saniert, ein Grafenschloß«, sagt Goran. Seine Firma hat ja mitgeholfen dabei.
»Niemand weiß was über den Eigentümer. Keiner hat ihn zu Gesicht gekriegt. Nirgendwo ein Name. Jeden Tag werden die Mauern und Zäune verstärkt und dichter gemacht. Man sieht kaum noch was von der Herrlichkeit. Wer da wohl wohnt?«
»Ein erstklassiger Verbrecher«, antwortete der pfiffige Alex, »ein exotischer Lump der Luxusklasse. Egal wo der Schurke herkommt, der hat Verbindungen, der darf bleiben, mein Wort drauf!«
Da sagt Goran: »Vielleicht werden dort schöne Mädchen gefangengehalten. Vergittert worden ist da einiges, aber das Einrichten solcher Gemächer hahaha, bleibt natürlich Sache von Spezialarbeitern, hahaha, Spezialeinheiten.«
Es kommt Alex so vor, als würde in Gorans lang bewimperten Augen kurz eine paradiesische Haremslüsternheit aufglühen. Er muß was dagegenhalten: »Solche Leute machen ihr Geld durch illegalen Waffenhandel. Die beliefern in den afrikanischen Bürgerkriegen beide Seiten mit Boden-Luft-Raketen, Anti-Panzer-Geschossen, Mörsern, Gewehren, Munition. Die Mädchen gibt es dann dazu.«
Wie routiniert die beiden nicken, Alex und Goran, zwei, die sich nicht täuschen lassen, schon gar nicht von Riesenvillen hinter hohen Mauern.
»Oder«, ruft Alex nämlich, nachdem sie sich getrennt haben, Goran hinterher, »es ist jemand von einer Rating Agentur, einer dieser Herren Schwerverdiener, vor denen ganze Staaten kuschen!« Der Kurde streckt den Daumen nach oben.
Nein, Alex und Goran, denen macht man nichts vor!
Gebirgliches Raten
1.: Wo tritt die Berg-Platterbse vorzugsweise in Erscheinung? In Hochstaudenfluren? In felsigen Rasen auf Kalk? In subalpinen Gebüschen?
Hilfe: Das Anbieten von Alternativen kann eine Falle sein.
2.: Welche hier namentlich bekannte Person denkt einerseits mit Zorn, daß die Alpen kaltblütig weiterbestehen, wenn sie, die Person, längst tot ist, andererseits mit Zartheit, wie gebrechlich, ja hinfällig die Berge sind gegenüber der täglich und allnächtlich angreifenden Erosion, wie töricht selbstmörderisch mit Frost, Regen, Steinschlag, Lawinen. Wer?
Alex und die Spätscholastik
Alex erkennt sie sofort. Die beiden Grauhaarigen mit der Jungfrauengeburt sind wieder da. Sie haben Bratwurst bestellt, eine schöne Bratwurst mit Rotkraut. »Die Spätscholastik?« sagt die eine. »Brrr! Halsbrecherische Tüfteleien. Artistik hat in der Theologie nichts zu suchen.«
»Sie sind so hübsch geworden«, bemerkt Alex aus reiner Bosheit, »diese Löckchen hier vorn, die hatten Sie nicht beim letzten Mal, jedenfalls nicht so viele. Nana, frisch verliebt? Hier kommt die Wurst! Bin ich zu frech?«
Die Macht des Taxifahrers
Heute will Herbert Wind es wissen, Herr Wind, der sich im Winter so gern Gebirgsgipfel im Schneesturm ausmalt, bevor jemals irgendeine Menschenseele dort oben gewesen ist. Auf zur großen Tagestour! Da ist er sicher viele Stunden unterwegs, bestimmt acht werden es schließlich sein, selbst wenn er nur kurze Pausen macht. Er hätte nicht übel Lust, in einem Rutsch von den Pyrenäen bis zu den Karpaten zu
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