Gewäsch und Gewimmel - Roman
ihn bestimmt in Sicherheit.«
Enttäuschte Hoffnung
Der Westfale Erwin berichtet seiner geduldigen Frau Anita (die manchmal allerdings heimlich denkt: Mein Gott, ist doch wurscht!), durch die industrielle Meerwasserentsalzung der Golfstaaten – er sage nur: Dubai mit seinem riesigen Süßwasserbedarf für die Luxusanlagen –, würden täglich 24 Tonnen Chlor, 200 Kilogramm Kupfer und 65 Tonnen andere chemische Substanzen ins Meer gespült. Das schädige, man wisse es, auf immense Weise die Mikroorganismen und Korallenbänke. Vermutlich hingen auch die Verbreitung der Roten Alge und das Delphinsterben damit zusammen.
Heute ist die Frau aber gut vorbereitet und schlägt umgehend zurück: Beim europäischen Luftfahrtkonzern EADS herrschten berechtigt Zorn, Enttäuschung, Sorge, daß er bei der Ausschreibung für ein Tankflugzeug für Militärmaschinen (ein Auftrag, auf den man größte Hoffnungen gesetzt habe und bei dem es insgesamt um 35 Milliarden Dollar gehe) vom Pentagon ausgebootet werde. Die Amerikaner begünstigten rücksichtslos bei den Vorgaben die eigene Rüstungsindustrie, gegen die nicht mal Obama ankomme, wie inzwischen gegen vieles, wie gegen das meiste nicht mehr. Überhaupt glaube sie, und dabei zieht sie sich im Spiegel ruhig die Lippen nach, daß die Weltgesellschaft ihr fälliges Utopiebesäufnis, das sie alle paar Jahre oder Jahrzehnte stoffwechselmäßig benötige, diesmal eben in Gestalt vonObama, hinter sich habe und nun der Meinung sei, es reiche und der nüchterne Gang der Unmoral müsse realistischerweise wiederaufgenommen werden.
»Wow!« sagt der Westfale halb erschüttert, halb gekränkt: Seine Frau ist ja der reinste Zauberlehrling!
Rätsel
Von wem stammt die Zeile: »Herzuntergang in gnadenloser Weite«? Wer es nicht weiß, aber dahinterkommt, wird überrascht sein.
Herzbrechen
Nein, sagt sich Frau Pratz in einem ihrer äußerst seltenen schwachen Momente, die leidenschaftliche Liebe, die sogenannte, war nur der Durchsetzungsversuch einer Legende, eines Gerüchts.
Ach Gott, und das Leid danach, das war kein Herzbrechen, sondern der Schmerz über den Entzug einer alles bestimmenden Idée fixe.
Veränderungen
Wien/Hamburg. Herr Dillburg hat nun eine ganz andere Beerdigung als die im italienischen Gebirge erlebt. Es war in Wien diejenige seines Bruders. Der Zuhälter Dillburg ist auf grausige Weise Opfer einer Messerstecherei geworden. Der Trauerzug aber fiel majestätisch aus, Blumenmassen und volles Programm, treuherzige Reden am offenen Grab. Es hätte dem Toten gut gefallen, so die Mehrheit der Trauergäste. Angereist war auch Herrn Dillburgs Schwester, nach längerer Krankheit wieder erstarkt. Tapfer sah sie der Wahrheit ins Gesicht und roch die vorherrschenden Moschusdüfte. Noch in Wien kamen sich die Geschwister nach dem Tod des Bruders unerwartet verwaist vor und beschlossen, in Zukunft zusammenzuwohnen. Der kleine, hoffnungsvolle Kreis, den die Eltern einst mit ihrer Familiengründungin die Unendlichkeit geschlagen hatten, solle nicht völlig zerfleddern.
»Sie wird nach Hamburg ziehen, zu mir«, erzählte der Geistliche Frau Fendel in großer Freude. Sie aber erbleichte, kein Zweifel, erbebte. In ihren Augen las Dillburg eine bange Frage, die sie nicht aussprach.
Da ergriff der Menschenfreund tief gerührt sogleich ihre Hand.
Sie jedoch, Frau Fendel, aß, nachdem er in seinen gottserbärmlichen Schuhen unverändert plattfüßig gegangen war, das, worauf sie sich seit seinem Eintreffen gefreut hatte: eine Lakritzstange, schwarz wie der Tod, aus den Abruzzen, dem geheimen Zentrum der Lakritzherstellung, von Herrn Dillburg zum Trost vorsorglich mitgebracht.
Rätsel
Wenn sie mir die Ausrufezeichen nehmen, dann, nein, dann will ich nicht mehr leben, dachte ein Mensch, der gerne Briefe schrieb. Die Rechtschreibung sollen sie meinetwegen reformieren, die Idioten, aber nicht auch noch die Ausrufezeichen liquidieren.
Wie hieß er noch?
Mord und Totschlag
Bremerhaven. Im August fuhr ein dreißigjähriger ehemaliger Kollege von Alex, jetzt muß er sich vorm Landgericht für Schreckliches verantworten, mit einem Küchenmesser von Bremen zu seiner 27jährigen Ehefrau, um ihr auf dem Campingplatz von Bremerhaven heimlich die Autoreifen aufzuschlitzen, damit sie ihn, den sie schmählich verlassen hatte, um Hilfe bitten müsse. So hatte er es sich ausgedacht.
Als er ihren Wagen sah, unterließ er das Reifenstechen, drang, für ihn ja ein Leichtes, in die Kabine ein, setzte sich
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