Gewäsch und Gewimmel - Roman
schmücke ihn dann für sich, eine Jacke erhalte er, wenn ein anderer sie abgelegt habe. So sei es natürlich auch mit den Ostereiern aus Schokolade usw.
»Aber uns geht es gut, wir haben ein warmes Bett, Kleidung, zu essen und zu trinken und ein fröhliches Herz!« rief Herta so leidenschaftlich, daß das Spülwasser aufspritzte. »Wir halten durch und singen dabei«, sagte Ruth.
Da sie nun auch von Einzelwesen sprächen, wolle sie, Herta, einmal auf Josephine kommen. Das sei ja auch so eine Person und ein Fall für sich. Die würde jedes Gespräch, erst recht am Telefon, abschmecken wie eine Mahlzeit. Immer müsse bei der das richtige Gleichgewicht von Selbst- und Fremdlob herrschen. Sogar bei einem Trauerfall sei für sie nicht der Inhalt entscheidend, sondern die Etikette gewinne die Oberhand. Entgleise sie einmal in einem sogenannten »vertraulichen« Gespräch, gar nicht mal so intim wie eheliche Untreue, Hormone, Wechseljahre, mache sie schnell hinterher taktische Komplimente. »Du verstehst mich bestimmt«, »Nur du bist immer so einfühlsam, diskret, so klug« und ähnliche Schmeicheleien, die den Ausgleich schafften.
Ganz anders sei es mit Frau Grün. Sie, Ruth, stelle fest, wie diese einmal so stattliche Person von Jahr zu Jahr grauer und kleiner werde in Anbetung ihres männlichen, strahlenden Sohnes, als zöge und söge er alle Säfte aus ihr für seinen Beruf als angehender … sie erinnere sich nicht so genau, irgendwas Wichtiges. Es sei aber zugleich in ihr eine Seligkeit, ihm ihre Lebenskräfte darzubringen, die jeden Einwand entwaffne. Man sehe geradezudas geheimnisvolle Hinüberströmen, wenn der Sohn im selben Zimmer mit ihr sei. Erstaunlich auch, wie man hauptsächlich nach wie vor berede und beklage, daß die Ehefrauen von ihren Männern ringsum wegen einer Jüngeren verlassen würden. Auch wenn daran nicht zu rütteln sei, vorerst, so müsse man doch zusätzlich die Sorgen der Mütter konstatieren, weil ihre Schwiegertöchter in erschreckendem Maße, selbst die mehrfachen Mütter kleiner Kinder, ihre Männer, also die Söhne ihrer bekümmerten Schwiegermütter, aus Gründen des Ehrgeizes oder der Abenteuerlust sitzenließen.
Wie es nun aber damit, frage sie, Herta, stehe: nämlich mit dem Ehepaar Schliff! Was Schliff nicht mal ahne, aber sie, Frau Schliff, um so mehr: Das gewisse Etwas, das er an ihr so liebe (wie manche Männer das leicht Angebrannte am Essen ihrer Mutter, das sie dann, jedenfalls in alten Witzen, bei der Ehefrau suchten und mit Glück durch zufälliges Küchenunglück endlich fänden), habe sie für ihn dann, und nur dann, wenn sie in einen anderen verliebt sei! Ob sie, Ruth, frage sie, Herta, einmal zwischendurch und außerhalb des Zusammenhangs, die Neigung vieler Menschen beobachtet habe, die Sensationen, die ein anderer erzählt, insofern einzuebnen, als sie sofort etwas Ähnliches berichten, um die Macht des ersten einzudämmen?
»Aber wir beide, wir halten zusammen, wir heitern uns gegenseitig auf, wir sind glücklich«, rief Ruth mit geröteten Wangen. »Top!« kam von Herta postwendend zurück. »Wenn man sich die Dinge schön ordnet, dann ist man auch selbst in seinem Inneren so.« »Wir sind froh und gesund, uns geht es gut! Tralala«, sang Ruth und ließ das Trockentuch in der Luft kreisen.
Sie, Herta, müsse noch einen Nachtrag zu dieser Josephine liefern. Nie habe man in Wirklichkeit den Eindruck, auch wenn sie einen raunend vertraulichen Tonfall anschlage, sie würde sich einmal entäußern in einem Geständnis. Es seien bei ihr immer Bulletins und Behauptungen. Ob das ein tatsächliches Durchschauender Verhältnisse sei aufgrund von Josephines übergroßer Klugheit oder eher ein Tick, eine schon fast nervende Macke? Sie sei aber eben eine große Gleichgewichtskünstlerin, die über alles ihre Gesellschaftsrhetorik breite, während Gabriele Klostermann allenfalls ein »Toll« ausstoße, ansonsten schweige, manchmal aus Gedankenlosigkeit versteinere, und während Josephine, nachdem sie mit der Berufstätigkeit aufgehört habe, erst recht aufdrehe im Sozialen, in den Kontakten, verlerne Gabriele, die auch nicht mehr arbeite, mit erschreckender Beschleunigung die sozialen Begleitgeräusche. Sie, Ruth, kenne ja die Gefahr! Was für Gegensätze diese beiden, und doch verstünden sie einander prima. Nur sie, Herta, stecke in der Mitte und müsse in diesem Fall die Balance gewährleisten.
Vielleicht, meine sie, Ruth, würde eines Tages den beiden das passieren,
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