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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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annehmen, daß der geschätzte Herr Verleger nicht auf solche dummen Gedanken komme. (»Du, da darf ich doch wohl von ausgehen?«) Im Gegenteil, der Held sei, was dessen Unglück vermehre, Chef eines florierenden Rüstungskonzerns, bei dem ja Lebensoptimismus gewissermaßen eiserne Verpflichtung und Geschäftsprinzip sei, immer zwischen Krieg und Frieden, wie die Pharmaindustrie zwischen Gesundheit und Krankheit, beide zwischen Leben und Tod monströse Gewinne einfahrend. »Niemand ahnt es, niemand kennt mich«, so gehe es dem dazu aufschluchzenden Typen nach zwei Flaschen Wein und getaner Arbeit im Kopf herum. Am nächsten Tag sei der lästige Anfall vergessen, am übernächsten, verflixt und bekloppt, wieder da.
    Er, Pratz, freue sich schon sehr, wie er dem Kerl allmählich die komplette Lebenslust unter der rosig geblähten Oberfläche wegsaugen werde. Klar, der Mann sei, (»Ich kann dir altem Hasen ja nicht viel vormachen«) auch ein Stellvertreter, aber ein viel, viel böserer als er, Pratz. Das sei das Wahre, Gute und Schöne daran.
Frühling? Frühling??
    München. Im Westen Deutschlands falle im Tagesverlauf immer wieder Regen, überall sonst müsse mit Schnee gerechnet werden, im Nordosten zeige sich anfangs noch kurz die Sonne, dann zögen auch dort zahlreiche Wolken auf. Die Temperaturen bewegten sich zwischen minus 1 und plus 8 Grad.
    »Schmerz ist Grundton der Natur«, so Justinus Kerner völlig zu Recht.
Zwang
    Herr und Frau Sykowa, die, gelinde gesagt, eine große Zuneigung verbindet, verheimlichen es voreinander: Jeder für sich spürt, daß die Angst, einer könnte den anderen durch den Tod verlieren, sie zwingt, auf eine Art Transzendenz zu spekulieren. Der Ausdruck ist ihnen nicht so wichtig. Oder gibt es noch einen stärkeren Grund? Etwa den heißen Wunsch restloser Annäherung und dann immer und stets die stupide Stirn der Materie, gegen die der eine beim anderen stößt?

Was Jan Sykowa allerdings nicht ahnt: Zu jedem zweiten Satz in den Privatissima, die er seiner Frau regelmäßig über die Etrusker erteilt – sie ist in dieser Beziehung strukturell Schicksalsgenossin der Frau eines gewissen Erwin –, fällt ihr eine Liedzeile ein. Wie es sie anstrengt, um ihn nicht in seiner Erklärungsinbrunst zu verletzen, ihr Singen zu bekämpfen, es nur in sich drin stattfinden zu lassen!
    Dort aber dann schmetternd.
Rätsel
    Was hat die Frau des Rheinfischers Hermann H., eine Opernsängerin (besonders beliebt in der Rolle der Liu aus Puccinis »Turandot«), die aber nicht Loreley heißt, mit ihrem unauffindbaren Mann (71) gemacht, den sie an verschiedenen Stellen durch zurechtgeschminkte Doppelgänger zur Erbringung sie begünstigender Unterschriften vertreten ließ? Was könnte es gewesen sein?
    Sie selbst freilich verweigert die Aussage. Hertas Freundin Ruth behauptet, der Sängerin, die etwas Verdächtiges an sich gehabt habe, einmal begegnet zu sein.
Dämmerung
    Jemand wünscht sich, mit jedem Tag inständiger, in einer im Wiedererwachen stöhnenden Vorfrühlingsdämmerung kleineStraßen abzugehen, selbst graue Unterführungen dürfen es sein. Stundenlang soll die Dämmerung dauern. Gar nicht mehr aufhören soll die zwitschernde Dämmerung. Vieles spricht dafür, daß es sich um den Komponisten Hans, auch Hannes, Keller handelt.
Großes Erschrecken
    Graubünden. Weshalb fährt Herbert Wind wohl dermaßen begeistert und treu ins Gebirge? Die Schluchten, die Abgründe, die Wände sind große, hingewälzte Körper, die uns um und umdrehen. Deshalb fährt er hin: Er will sich umstülpen lassen von den Ausstülpungen und Räumlichkeiten.
    Wenn er nachmittags von einem Gipfel, auf dem er Brot mit seiner selbstgemachten Marmelade gegessen hatte, eilig herunterwanderte, erfaßte ihn eine von keinem, nein keinem anderen Glück zu übertrumpfende Freude. Eine flammende Freude, die er hörte, die ihn brannte. Konnte es oben auf dem Mont Blanc, auf dem Matterhorn etwa schöner sein? Nur ging ihm manchmal das beklemmende Bett im Heimatmuseum durch den Kopf, dieses Bett in der niedrigen, beinahe schwarzen Kammer, ein Kasten für Geburt, Zeugung und Tod, das frühere Bett der Leute, die hier zuhause waren.
    Diese Menschen hatten der Flur noch andere Namen als die jetzt gebräuchlichen gegeben: Leidflua und Jammertälli, Bim ussera Egg, Uf dr Höhi, In dr Müli, Muttachöpf und Mittaglugga, Zwüschat da Bäch, Hüüschitöbali. Der Ort, wo ihn in diesem Jahr bei einer Wanderung ein alarmierender Herzschmerz

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