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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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befallen hatte, ein Krampf, der andauerte und ihn nicht verlassen wollte, der hieß früher Tüfelsch Tälli, und in seinem Rücken befand sich der Gälb Fels und ihm gegenüber, auf der anderen Talseite das Tiertälli.
    Noch eben hatte er, am Hang liegend, die Berge als strenge Freunde betrachtet. Plötzlich waren sie zurückgewichen, waren die desinteressierten Apparate eines Krankenzimmers gewordenund ihm selbst, in Einsamkeit und Todesangst, gelang es nicht, sich auf die Ewigkeit zu sammeln, nicht im geringsten. Nichts Hoheitliches war sie, die Ewigkeit. Nur sture Steinklöße, an Wetterstürze gewöhnt, gab es um ihn herum, während es ärger wurde mit dem Schmerz. Der Tod, ohne Anmeldung vorbeigeschneit? Ob sich die Erde um die Sonne drehte oder doch die Sonne um die Erde, wurde unterdessen völlig gleichgültig.
    Bloß nicht bewegen! Er machte sich, so vorsichtig wie möglich, obwohl ihm die Beine zitterten, in gekrümmter Haltung auf den Rückweg, um am Ausgang des Tals ein Taxi zu rufen, daß ihn zu einem Notarzt bringen sollte. Der wäre wohl unvermeidbar. Hier, an Ort und Stelle, wollte er, um die Sache nicht schlimmer zu machen, als sie war, noch nicht durchs Telefon um Hilfe schreien. Um das für sich klarzustellen, lachte er ein paarmal. Metaphysisches empfand er noch immer nicht, obwohl er sich bemühte. Statt dessen dachte er: Mit den Bratkartoffeln wird es heute abend wohl dann doch nichts! Er vermutete auch: Aus der Banalität ist nicht herauszukommen. Warum nicht? Weil ich die Angelegenheit einfach nicht ernstnehme. Obschon ich das Schlottern nicht loswerde.
    Es wurde noch viel stärker, als der Arzt, den Herbert beschwor, nicht den Helikopter zu rufen, mit Mitleids-, ja fast Beileidsmiene den Rettungswagen kommen ließ, ihm zum Abschied kondolierend die Hand drückte und Wind, der sich ab sofort nicht mehr rühren durfte, eine Stunde lang wegen Infarktverdacht mit vielen Schläuchen versehen, auf kurvenreicher Strecke zum Spital fahren ließ. Man hatte ihn aus der Natur herausgezerrt und an die Maschinen der Ambulanz angeschlossen. Das ausufernde Wesen Wind von vorhin war abgeschnitten und gestutzt auf sein pures Material. Er erhob keinerlei gekränkten Widerspruch, nicht aus Schwäche, sondern weil ihm nichts anderes einfiel. Er verfolgte, als hätte er keine Seele mehr (wo war sie nur zurückgeblieben?), kommentarlos die Abfolge der Handlungen freundlicherFremder. Es gab in ihm keine kämpferische Parteilichkeit für den Körper namens Herbert. Welche Instanz sollte das auch bewerkstelligen?
    Ob sich, im Fall der Fälle, sein Todeskampf auch so geschäftsmäßig trocken abwickeln würde? Oder käme die Vermißte, die Seele, derart grob herbeizitiert, dann schleunigst aus ihrem Versteck? Er zitterte, ja, aber vor Leere, vor Einfallslosigkeit, gähnte, schwitzte auch etwas wegen unpassender Nüchternheit, beinahe zu verwechseln mit Langeweile, am ganzen Körper.
    Andererseits fragte er sich, als er so dalag wie schon tot, mit den Füßen zur Tür, mit dem Kopf voran zu Tal gefahren, ob man das alles nur spielte, um die Angestellten zu trainieren oder weil man nichts zu tun hatte und die Behandlungslücke füllen wollte. Und später, längst mit beruhigender Diagnose entlassen, erwog er noch immer, ob das Ganze nicht reiner Klamauk gewesen war, sympathisch, aber auf seine Kosten und vor allem mit dem Effekt, daß er, Herbert Wind, nun diesen Bergen gegenüber einen Generalverdacht hegte. Sie lockten ihn an, und es konnte sehr leicht einmal sein, daß sie ihn, wenn sie ihn hatten, nicht wieder aus der Klemme herausgaben.
    Natürlich war aber das nicht das Schlimmste. Das, was Herbert Wind fortan beunruhigt, ist das durch und durch Steinerne, gnadenlos da oben das Steinerne, das Gebirge, das im Stich läßt gerade dann, wenn es zählt und drauf ankommt.
    Gut, aber was hatte er sich denn vorgestellt?
Das gewisse Etwas
    Berlin. Dieser Student, fällt Katja ein, die dann plötzlich keine rechte Lust mehr zur Jagd verspürt (allenfalls der drei- oder schon vierköpfigen Familiensippschaft einen Streich spielen will), dieser Botaniker mit seinem Orchideenwahn, wie der schrumpft! Sie hat an der Tür etwas mitgekriegt, als ihm das Kleine so desillusionierend auf die Schulter kötzelte, und weiß es erst jetzt,Tage später. Fast bringt es ihr alle Liebe um, was sie da oben gerochen hat:
    Die süß-saure Ausdünstung milchigster Harmlosigkeit.
Lichtblick
    Berlin. Es könnte aber sein, sagt sich die Studentin

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