Gewäsch und Gewimmel - Roman
Beendigung des Dienstverhältnissesnatürlicherweise depressiv wurde, geht es wieder richtig gut. Demnächst wird sie ihre Freundin Herta, die gewissermaßen ehrenamtlich im Zoo tätig ist, in Leipzig besuchen. Doch, das wird sie schon schaffen, obschon sie sich noch immer taumelig fühlt in der Arbeitsleere. Trotzdem und jetzt erst recht: Glückliche Reise!
Neues von Eva
Korogh. Hi! Hier läuft alles ganz gut. Mir geht es prima. Auch hier gibt es, wie ihr seht, ein ab und zu funktionierendes Internetcafé. Man muß nur Geduld haben. Love, Eva
Ihre Mutter hat kürzlich aus Versehen auf die Frage einer Nachbarin, warum ihre Tochter sich denn so lange in der asiatischen Ferne aufhalte, geantwortet: »Wegen Internet!« Es ist ihr so rausgerutscht.
Rätsel
Wer war’s, der an einem Dornbusch ein Dutzend Heuschrecken, Mäuse und kleine Vögel aufgespießt hat? Die kleine Ilse? Der Raubwürger? Ein Prachtwürger?
Das Wiegenlied
Während sich seine Frau wieder glänzende Augen beim Yogameister holt, nimmt sich Herr Gadow vor, statt zum tödlichen Axtschlag auszuholen, ihr vom Botanischen Garten zu erzählen, wo ein viereckiges Paar vor einer sich zersetzenden Artischockenstaude stand. Ihre Mäntel hatten die Farben des Winterlaubs. Sie wollten sich vor dem Frühling noch tarnen und ducken, aber direkt neben dem verwesenden Strunk und seinen ehemaligen Blättern waren die ersten Adonisröschen aus dem Grau und Braun hervorgeplatzt, mit goldschmetterndem Fanfarenstoß. Herr Gadow war hingegangen, um sich zu beruhigen, sich ein bißchen zu trösten. Er hat also Mut gefaßt und hofft,sein guter Wille möge dem abscheulichen Glanz ihrer Augen standhalten.
Der ist aber gar nicht vorhanden, als sie spät am Abend nach Hause kommt, ist vergangen ohne Überrest. Herr Gadow sitzt neben ihr und fragt nicht. Er erzählt nichts von den Adonisröschen, er tut etwas Zarteres: Er berichtet ihr in allen faszinierenden Einzelheiten, wie sein neuer Rasierapparat funktioniert, berichtet, während sie mit geschlossenen Augen daliegt, einfach vor sich hin.
Schwere Stunde
Der Schriftsteller Pratz lacht der Gesellschaft ins Gesicht, das schon, das war immer Ehrensache. Aber ein gewisses Gift in seinem Herzen wird eher gefährlicher als harmloser. Es ist die Angst, in der öffentlichen Beachtung überrundet zu werden, er kämpft dagegen mittels eleganter Schals und politischer Appelle, schmeichelt einflußreichen Damen und sorgt für kleinere Skandale.
Das funktioniert in Wahrheit nach wie vor. Aber eines Abends, ein würdiger Bibi-Ersatz ließ sich gerade nicht blicken, überfiel ihn eine Erscheinung. Er sah seine Bücher als ledrige Erbstücke im geheizten Keller eines Einfamilienhauses, die Wände holzgetäfelt, der Fußboden gekachelt, er selbst in zwei kompletten Regalreihen, nie mehr berührt, aber oft von außen als Sehenswürdigkeit und Hinterlassenschaft einer lesewütigen alten Dame angestaunt.
Pratz hätte schreien, nein fauchen und kreischen mögen.
War es ein Trost, daß in Wahrheit sein Ansehen in den sogenannten besseren Kreisen nach wie vor das Kennen seiner Werke vom Hörensagen erzwang? Nein, an diesem unseligen Abend nicht! Von ihm blieb nichts übrig als ein zu bewältigender Bildungsmeilenstein. Egon Pratz, ein Hindernis, das genommen werden mußte, beileibe aber kein Abenteuer, keine große Liebe,die anderes auslöschte, womöglich für eine Weile sogar das modrige Leserinnere.
Ach, wo waren sie hin, die Augenblicke, in denen ihn das alles nicht schmerzen konnte und er nichts als eine gehorsame Maschine darstellte im produktiven Zustand mystischer Leere? Er, Pratz, mußte sich dann der übervollen Wirklichkeit nur hinhalten. Seine Hände hatten das, was in ihn eindrang, lediglich notierend nach außen zu transportieren. Es war alles schon Form, so, wie es kam.
Pratz hätte am liebsten nach irgendeiner Frau, auch der eigenen, telefoniert, schrieb dann aber etwas ins gewissenhaft (das war er der Welt schuldig) geführte Tagebuch. Böse Zungen behaupten, er habe dabei geschluchzt.
Ach was, er, Egon selbst war’s, der schriftlich sein Schluchzen der Welt gesteckt hat.
Fakten
Montag. Die Sonne, schreibt die Zeitung neben manchem anderen gebieterisch, geht heute schon um 6.13 Uhr auf, und sie wird, steht dort schwarz auf weiß, erst um 18.29 Uhr untergehen. Frau Fendel liest es kopfschüttelnd. Bei vielem, was gedruckt wird, war sie nicht dabei und kann es also nicht auf Wahrheit überprüfen. Es stimmt wahrscheinlich,
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