Gewäsch und Gewimmel - Roman
Farben: Gebrüll und Gekreisch. Wir schreien Beifall wie am Spieß.« Wer sagt’s?
Katja stutzt
Berlin. Der Studentin Katja, die ihrem Freund, dem etwas zu sehr beschäftigten jungen Anwalt, inzwischen ihren Tick mit dem botanischen Familienvater gebeichtet hat und auch, daß sie sich ihn ein einziges Mal aus Gründen der Ehre krallen will (dafür hat sie seitens des Juristen, der sehr gelacht hat, bereits die Absolution), geht neuerdings ein Bild nicht aus dem Kopf, sogar überraschenderweise ein bißchen an die Nieren. Wer die Hintergründe nicht kennt, sieht auf dem Foto einen Leoparden, der sich über ein gerissenes Beutetier hermacht und es wegschleppen wird. Ein Stück weiter entfernt sich eine Gepardin vom Ort des Geschehens, wendet aber noch einmal den schön gezeichneten Kopf. Passiert, Katja weiß es, ist dies: Die Gepardin hat nach kräftezehrendenJagdversuchen ein Impala für die bereits lange hungernden Jungen erlegt. Als sie es forttragen will, erscheint die stärkere Raubkatze, mit der die Mutter einen Streit nicht wagen darf. Sie muß, erschöpft von der Hochgeschwindigkeitsjagd, die Beute opfern und ohne Ergebnis zu ihren darbenden Jungen zurück.
Was nun Katja so stutzig macht, ist der gramvolle Blick des betrogenen Tieres, das keine Wahl hat und sich kampflos fügt. Sie ist heute sogar, ohne aufzusehen, geistesabwesend im Treppenhaus an der Studentenfamilie vorbeigelaufen, nur wegen der bekümmerten Drehung des Gepardenkopfes.
Andererseits hört sie jetzt das biologische Ehepaar lachen, hallend im gekachelten Flur. Lachen die über sie? Über wen denn sonst. Der Kerl hat sie bei seiner Frau verraten!
Katja fällt auf einmal das Lachen des Anwalts ein, ihres Freundes und Beichtvaters. Klang das nicht sehr ähnlich? Ihr ist zum Heulen zumute. Am nächsten Morgen hat sie einen finsteren Entschluß gefaßt: Entweder sie wechselt auf Psychologie, oder sie kehrt eine Weile zu ihrer Mutter zurück.
Rätselfrage oder Elder Statesman
Das sei wieder so eine Sache, beschwert sich Erwin bei seiner Frau Anita, die schon in der Tür steht, um zu ihrem Kiosk aufzubrechen. Ein ehemaliger Bundeskanzler, sehr alt schon, sehr beliebt wegen seiner vornehmen Art, habe klargestellt, was die größte Gefahr für den Frieden, gerade auch für uns sentimentale Deutsche sei, ja, die größte Gefahr von allen Gefahren. Na, was glaube sie, Anita, hm? Private und nationale Wirtschaftsinteressen? Kriegstreiberei, Kriegspropaganda? Die Zunahme von Söldnerheeren? Falsch! Zu kurz gesprungen! Es sei der Pazifismus!
Wie solle er, ein Westfale wie er, Erwin, da nicht hin- und hergeschleudert werden zwischen Scylla und Charybdis! Aber was das strenggenommen eigentlich sei, dieser ominöse »Pazifismus«,rätselt Erwin, gegen den ja auch die Rüstungsindustrie bittere Klage führe?
Frau Anita ist weg zum Kiosk, Erwin legt leicht somnambul die Zeitung beiseite. Er sieht aus dem Fenster, auf die Dächer, in die Wolken. »Man kann einfach nicht dagegen an«, brummt er vor sich hin. »Es steht zu viel drin. Bald ist auch schon morgen, und flugs kommt die nächste mit all dem, was drinsteht.« Dann fährt er mit dem Auto zur Getränkezentrale, um Anita beizustehen. Wie er sich freut, daß er den Wagen mit dem Autoschlüssel durch den Stoff der Hosentasche hindurch öffnen kann!
»Sehr geehrter Herr Brück,
Hinz&Kunzt-Verkäufer Thomas L. bekam vor einem halben Jahr einen 1-Euro-Job zugewiesen. Seine Aufgabe bei einem Beschäftigungsträger war es, für sechs Monate Spielplätze auf ihre Sauberkeit hin zu kontrollieren. Auf Grund des unerwartet harten Winters entfiel diese Tätigkeit – sämtliche Spielplätze waren verschneit und vereist. Thomas mußte sich jeden Morgen um sieben Uhr melden und sollte dann nach Hause gehen. Verlorene Tage, verlorene Zeit. Er schlug daraufhin vor, statt dessen die Wege vom Schnee zu befreien. Dies wurde ihm untersagt. Hierfür seien andere Einrichtungen zuständig. Mit dem einsetzenden Tauwetter dauert die 1-Euro-Maßnahme noch vier Wochen, in dieser Zeit soll Thomas unter Beweis stellen, daß er sich weiterqualifiziert hat. Nach der Maßnahme ist Thomas wieder arbeitslos, eine Anschlußbeschäftigung gibt es nicht.« (Brief des Hamburger Straßenmagazins an Herrn Brück mit der nicht vergeblichen Bitte um eine Spende.)
Fortschritt
Frankfurt a. M. Ruth, die lange Zeit erfolgreich in der Kulturförderung eines großen Industrieunternehmens gewirkt hatte und, obschon großzügig abgefunden, nach
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