Gewäsch und Gewimmel - Roman
mich ja längst nicht mehr darüber, daß Ryanair seine nichtsnutzigen Flüge in alle Welt für eine Handvoll Euros anbietet«, sagt Elsa, die Rothaarige, am Telefon zu ihrem Freund, der gerade in Neuseeland zu tun hat, »was mich heute morgenerbost, ist die Impertinenz, mit der diese Leute eine angebliche Wildtierexpertin in der Reklame für Flüge nach Schottland einsetzen. Die wacht da mit Fernglas naturschützend in den Highlands über die Fauna. Wildtierexpertin! Und das ausgerechnet für Ryanair. Die gemeinste Lüge aber ist die eichhörnchenrote angebliche Naturmähne der Frau!«
Und das soll unser Engel Elsa sein?
Die heimliche Angst des Westfalen
Eigentlich sind die Westfalen von Natur aus ein eher furchtloser Stamm, obschon sie manchmal das zweite Gesicht haben. Überhaupt die alte Spökenkiekerei! Auf dem Land hatte man auch öfter Scheintote, deren man sich mit Flaumfedern am Mund zu erwehren suchte. Erwin aber, seine Frau Anita würde es jederzeit Freunden der Familie bescheinigen, ist ein »Westfale« in moderner Version. Er klagt über den Zustand der Welt und beschwert sich zu Frühstück wie Abendbrot über die Weltlage. Ansonsten verbringt er seine Tage träumerisch. Das Geschäft, einen regional sehr gut frequentierten Kiosk mit Imbißstube, schmeißt seine herzkranke (darf man sie überhaupt so nennen, nachdem sie schon zwei Jahre lang mit ausgezeichnet anschlagendem Fremdherzen lebt?) Frau. Dieses Herz ist das eines Menschen, noch nicht also, wovon die Xenotransplantationsforscher schwärmen, das eines Schweins.
Erwins Sorge ist nun die, der oberste Weltgerichtshof könnte am Ende von allem zu ihm sagen: »Erwin, du hast nur genießerisch über die Welt gejammert, auch dein schönes Sanitärunternehmen aufgegeben. Wozu, Erwin, habe ich dich in die schwierige Gegenwart gestellt? Antworte mir!«
Erwin befürchtet, daß es so kommen könnte. Er ändert sich trotzdem nicht, möchte im sanft feuchten Westwind leben, nicht im harten, leuchtenden Ost. Er sehnt sich nach Klarheit, das schon, doch sie verheert die innere Vegetation. Die krümmtsich unter dem scharfen Luftzug. Der ist nicht das Richtige für ihn und würde den Guten böse machen.
Die Blumengärten Siziliens
»Im April«, sagt Herr Gadow vorsichtig zu seiner dem Ratgeberleben verfallenen Frau, »könnten wir ›La Primavera Siciliana‹ erleben, architektonische Zeugnisse der Sarazenen und Normannen, Griechen, Araber, dazu ein Meer von Wildblumen, Lustgärten und Paläste aus schwarzem Lavagestein.«
Die Augen von Frau Gadow glänzen. Sie funkelt ihn geradezu an: »Unmöglich«, sagt sie. »Ich darf nicht die Yogasitzungen schwänzen. Begreif doch endlich: Gott ist in den Pflanzen hier wie dort.«
Herr Gadow stellt sich zum ersten Mal in seinem Leben vor, wie er mit einer Axt alles kurz und klein schlägt, auch die Frau, zum Schluß sich selbst.
Erste Vorfrühlingsdämmerung
Wie gut es tut, dieser Stunde diesen Namen zu geben! Die Hälfte ist damit schon getan. Es gibt ja die echte Vorfrühlingsdämmerung und die Scheinvorfrühlingsdämmerung. Diese ist nur eine Beschwörung, jene die siegreiche, irreparable Wahrheit, die das Herz bestürmt, daß es zerbrechen möchte vor Lust. Nicht nur vor Lust, auch vor der Woge, dem Anbranden der vielen vorausgegangenen Vorfrühlingsdämmerungen, ein Wort, das nicht auf der Zunge, sondern schluchzend in der Kehle vergeht und mehr Erinnerung als Gegenwart meint. Genau das gehört unerläßlich zu ihrem dämmernden, ins Zukünftige äugelnden, ja segelnden Augenblick.
Man hofft, man hofft wie wild drauflos. Auf was? Egal, man hofft, man hofft ohne Sinn und Verstand, weil der Frühling es will, weil die Vorfrühlingsdämmerung es verlangt.
So jedenfalls hat es Nachbar Holterhoff, poetisch beflügelt, ElsasLiebling, der verblüfften Frau Wäns, am kleinen Hochmoor draußen erklärt.
Blick im Vorübergehen
Ein Geschäftsschlußgesicht wie das andere. Nichts als Schematik fleischlicher Wiederholungen. Keine einzige Ausnahme, ob sechzehn oder geschätzte fünfundachtzig. Da hilft keine Jugend, da hilft kein Alter. Was dazwischen liegt, hilft erst recht nicht. Man selbst wirft lieber erst gar keinen Blick in einen der öffentlichen Spiegel.
Aber da, war das nicht eben unser sorgsam gehütetes Liebespaar? Frau Sykowa und Jan Sykowa? Daß man sogar ihnen kein Flimmern ihres schönen Geheimnisses ansieht!
Modeprognose
»Out sind die Farben: Matsch und Dreck. Wir grunzen Zustimmung.
In sind die
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