Gewäsch und Gewimmel - Roman

liegen. Ihre Eltern bringen ihr ein schönes Buch und Schokolade. Das Kind im Nachbarbett hat wie sie 1 Buch und 1 Tafel Schokolade bekommen. Ilse schielt dauernd zu ihm hin. Sie ist wütend. Warum aber? Die Kleine freut sich viel mehr als sie, und Ilse schafft es nicht, im Strahlen mit ihr gleichzuziehen, schafft es nicht ums Verrecken. Das Mädchen hat das gleiche wie sie, allerdings durch die Freude viel mehr davon.
    Am nächsten Tag wird Ilse, die gerade, wie oft, ein Buch liest, von einem Kind besucht, das auf derselben Station liegt, aber herumlaufen darf. Es bewundert Ilse, weil sie viel älter ist. Dasgefällt ihr natürlich, sie freut sich auf das Wiederkommen. Der Junge tritt ein, geradezu andächtig, und bestaunt sie. Diesmal traut er sich näher heran, patscht sogar auf der Bettdecke herum, Ilse lacht. Einen Tag später nimmt der Kleine die Schokolade von ihrer Bettkonsole und fragt, ob sie mit ihm teile. Zwei Stunden später ist er noch einmal bei ihr, schleicht sich seitlich heran und bricht mit listigem Lächeln ohne zu fragen ein weiteres Stück ab. »Schluß«, schreit Ilse. Der Junge rennt raus. Am nächsten Morgen versucht er, ihr die Decke wegzuziehen. Er hat gemerkt, daß die Ältere ihn nicht verfolgen kann. Sie ist schwach, nicht stark, wie er anfangs dachte.
    Ilse wird eines Tages gesund sein, aber wie tot daliegen, und dann, wenn er kommt, fällt sie über ihn her. Er taucht nur nicht mehr auf.
    Das ist nicht sehr schlimm. Ilse beschäftigt etwas Neues. Der junge Arzt, deutlich jünger als ihr Vater, muß ab und zu, wenn auch viel zu selten, ihr Bein untersuchen. Beim ersten Mal hätte sie am liebsten zugebissen, als die unbekannte Hand am Ende des weißen Ärmels sie da, wo sie gar nicht recht hinsehen kann, mit so kühlen Fingern berührte. Sein Weiß ist ein anderes als das von Elsa. Wie eigenartig, wenn das Fremde an ihren warmen Bettkörper gerät, was für ein Rieseln an der Haut, wenn das strenge ärztliche Tasten sein muß! Käme er doch öfter!
Rätsel
    Wie nennt man die rillenförmige Erscheinung auf steilen vereisten Flanken an Hochgebirgsgipfeln der Tropen und Subtropen, etwa in der Cordillera Blanca Perus?
    Hilfe: Hervorgerufen werden die Rillen durch die dort fast senkrecht auftreffenden Strahlen der Sonne, zusammen mit den feucht aufsteigenden Luftmassen der Urwälder.
Vor dem Einschlafen
    Dillburg hat noch einen ungefähren Gedanken, bevor er nach langem Arbeitstag die Augen schließt: Auch wir Menschen nehmen manchmal die Gestalt ewiger Bedeutungen an. Es ist ein Mantel aus Gußeisen oder Goldstaub, der sich formend auf unser Leben senkt, stehende Momente im Daseinsfluß … Nein, er langt nicht mehr weiter, hat seine gymnastischen Übungen vergessen und schläft bereits.
Verwahrlosen
    Eva Wilkens, noch so eben rechtzeitig zu Hause eingetroffen? Richtig gefleddert, knapp bevor es für die Passanten schreiend deutlich geworden ist? Und jetzt das Freiheitsfanal, horch, das einzig ersehnte Geräusch: Die Tür fällt ins Schloß. In die Ecke mit den Schuhen. Fort auch mit dem eiskalten Schnütchen. Erst mal die Gesichtszüge zittern und flattern, überhaupt sich selbst wegrutschen lassen, und sei’s bis runter auf den Fußboden.
    Keine Sorge, jenseits der Haustür war fast alles an der Person prick, nicht gerade überprick, jedoch sauber, stumpfgrau, silbriggrau, nach der Mode von, allerdings, vor zwei Jahren. Man ließ das in der Stadtöffentlichkeit durchgehen, obschon sie vergessen hatte, im eiligen Ausschreiten wenigstens ein-, zweimal laut in die Handhöhlung zu sprechen. Sie trank währenddessen, von der verbindlichen Sitte abweichend, außerdem keinen Tropfen, nichts, nahm weder Wasser noch Kaffee aus den dafür vorgeschriebenen Laufgefäßen zu sich. Zum Glück übersah man auch das. Flottes Geradeausbalancieren fällt ihr nämlich wie das Vermeiden von Zusammenstößen mit Menschen oder Verkehrsschildern schwer, wenn sie dabei trinkt.
    Es schien ihr … fundamentaler zu sein, im zivilen Vorwärtshasten gute Figur zu machen als in den bloß ergänzenden Ornamenten, sagen wir, urbaner Übereinstimmung. So geschäftlich wie nur möglich starrte sie nach vorn, vor lauter Nüchternheitbeinahe gläsern. Dabei saugte sie, tief innen, niemand konnte ja in Wirklichkeit durch ihr Wangenfleisch spähen, mit der Zunge fest an der Gaumenhöhle. Eine verstohlene Leibesübung war das, die erstaunlicherweise ihr Gleichgewichtsgefühl stabilisierte.
    Als sie kürzlich eine Weile allein,