Gewäsch und Gewimmel - Roman
endlich begriffen hat, wie sie, die Katze, schon immer heimlich hieß. Auch jetzt wendet Emily, nach einer angemessenen Frist, wohlwollend den Kopf, bis ein elektrisierender Gedanke in sie fährt, ein Entschluß, der den Körper von Barthaar bis Schwanzende durchbebt. Was könnte das sein?
Frau Fendel ist gespannt, sagen wir: halbwegs gespannt. Wahrscheinlich macht das Tier das Theater, um dann doch bloß auf ihren Schoß zu springen. Richtig, genau so kommt es am Ende. Alles ganz typisch.
Dann sollte auch ich mich typisch verhalten, sagt sich Frau Fendel, als Mutter eines verunglückten Sohnes, egal, wie lange das her ist. Sie beginnt zu weinen, es fällt ihr seit kurzem wieder leichter. Sie weint unter der Überschrift: Trauer um den toten Sohn. Aber sie ahnt, daß die Tränen tatsächlich um etwas Aktuelleres und zugleich Ferneres fließen. Es sind Szenen vom Tage, dieihr schmerzlich durch den Kopf gehen. Fünf Tote bei einem Lawinenunglück im Karakorum, ein brennendes Flugzeug über dem Atlantik, noch in der Luft in zwei Teile gebrochen, die panischen Augen eines dunkelhäutigen Kindes. Die Bilder entfalten sich, gespeist aus Frau Fendels kummervollem persönlichem Grund.
Nach den englischen Gärten
Das Ehepaar Gadow hat nach gefährlicher Ehekrise einen heilenden Gartenurlaub in England erlebt. Heute ist Herr Gadow wieder zum Schachabend bei Herrn Fritzle, dessen Hochstammrosen er so bewundert. Gerade erst haben Fritzle und die beiden anderen erfahren, daß Gadow nicht nur Biochemiker ist (deshalb erklärt er ihnen ja auch so gern das Universum und was die Sterne in ihrem Inneren ausbrüten), sondern auch Kammerjäger. Die alten Knaben lachen sich voller Wohlwollen halb tot. Zum letzten Mal so amüsiert hat man sich um die Bretter herum auf Kosten von Herrn Fritzle, als er erzählte, wie er, Rekrut bei der jungen Bundeswehr, mangels besseren Geräts, auf einem wohl vom Vorgesetzten gebastelten grün gestrichenen Sperrholzpanzer Krieg spielen mußte. Erst als Fritzle vom nächtlichen Nato-Alarm während der Kubakrise sprach und daß man sie aus den Betten heraus auf Lastwagen Richtung Osten verfrachtete, zum ersten Mal in akuter Kriegsangst, trat unter den Freunden Ruhe ein.
Frau Gadow aber war im Botanischen Garten und hat lange das Grün angesehen, wie es so lautlos wächst und wächst. Jetzt besucht sie im angrenzenden Botanischen Institut einen Vortrag über den traurigen Niedergang des Sumpfläusekrauts. Läusekraut! Plötzlich ist ihr zum Lachen zumute. Jagdbeute für ihren Herrn Kammerjäger? Es fliegt sie so an. Gott und Yoga fallen ihr nur noch selten ein. Aber bei dem geschmeidig vortragenden und vorne so biegsam auf- und abgehenden jugendlichen Professor, das erkennt sie an diesem Abend auf Anhieb, wäre sie nur zu gern Studentin, o ja, das schon!
Die Kleine wird krabenzig
Was ist nur aus unserer kleinen Ilse geworden? Gut, sie will momentan nicht zur Zehengymnastik bei Elsa, das versteht man ja. Jeder Wunsch wird Ilse doch beinahe erfüllt, aber kaum ist das Glück eingetreten, fängt sie an zu weinen oder schlägt sogar um sich.
So ist es eben, auch das Kindsein schützt nicht davor: Die Vorfreude ist immer größer als die Freude. Keiner ist schuld daran. Ob sie es später auch dem, den sie liebt, ankreiden wird? Dann ist der arme Kerl nicht zu beneiden um das unerbittliche kleine Aas.
Weihrauch
Herr Dillburg hält eine schwarze Socke in der Hand und rührt sich nicht. Es hat ihn plötzlich mit allen Schrecken gepackt. Er steht mitten im Zimmer, ganz ohne Beistand. Die Frommen flüchten sich in den Weihrauch, um Schutz und Schirm zu suchen vor dem Grauen der Stofflichkeit. Gegen die Schrecken der Öde gibt es für den, der sie vollständig erlebt, nur einen Trost, denkt er mühsam, nichts anderes hilft, unter allem kommt doch die Fratze hervor.
»Es ist allein unsere verzweifelte Bedürftigkeit, die Gott erzwingt.« Diesen Satz sagt er, immer noch mit dem Socken in der Hand, dreimal vor sich hin. Dann schafft er es, vorsichtig zu lächeln und Mut zu fassen. »… den Glauben an …«, korrigiert er sich.
Das Geheimnis der Literatur
Es besteht darin, schreibt Pratz an seinen Verleger, daß es sich um einen umgekehrten Stoffwechsel handelt. Wir Schriftsteller überführen das Chaos in Ordnung, eine Prozedur wie der Stuhlgang, nur andersherum. Das Vergnügen, wenn es klappt, ist in beiden Fällen gleich groß.
Das Geheimnis der Liebe
Und doch gibt es bei aller Liebe Momente, in denen Frau
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