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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Schwarzhaarigen grau. Trotzdem muß ich nur den kleinsten Tick eines Bekannten übernehmen und für eine Charakterfigur verwerten: Schon beschwert man sich über das entstellende »Porträt«! Natürlich ist Wieheißtsienoch ein Engel, wer wagte das zu bezweifeln, aber ich benötige nun mal den sehr speziell von ihr eingesetzten Silberblick für eine Furie. Lesen die mich etwa bloß, um mich diesbezüglich auf frischer Tat zu ertappen?
Schach!
    Manchmal muß sich Herr Fritzle mitten beim Schachspielen mächtig zusammenreißen. Noch eben hat er friedlich zu einem Gläschen Genever und einigen Zigaretten mit den Freunden und einem Gast am Tisch gesessen, tut es immer noch, aber seine Gelassenheit ist dahin.
    Fritzle hat plötzlich den Eindruck, daß jemand draußen steht und durch die Scheiben beäugt, wie sie vier sich behaglich fühlen vor den Brettern im warmen Licht. Der Jemand tut ihnen nichts, aber er starrt sie schändlich an. Fritzle, das ist das Unheimliche, sieht auf einmal sich, die beiden Freunde und den Gast (beispielsweise den redlichen Gadow, Remberg nicht mehr, der weigert sich, ein Gebiß zu tragen, bildet sich ein, mit seinen harten Kiefern alles beißen zu können, aber wie sieht das aus!Kein Wunder, daß ihn nun das dreifache große D erwischt hat, Depression, Diabetes, Darmkrebs!) mit den hungrigen Augenlöchern des Beobachters draußen und wie grausig sie drinnen entblößt sind von jedem wohligen Schmelz. Das gemütliche Licht scheint die lästige Motte anzulocken. Kaum sind sie zusammen, stellt sie sich ein. Fritzle wird diesen Jemand, diesen Schädling, das steht für ihn fest, niemals einlassen, und wenn der sich die Nase am Fenster blutig drückt.
    Natürlich hütet sich Fritzle, eine Silbe davon zu verraten. Er atmet nur tief auf, wenn die Musterung aus der Nacht für diesmal vorüber ist.
    Vor zwei Wochen saß er wieder mit den Freunden beisammen. Da ging es, wie meist, richtig fröhlich zu. Ein junger Mann brachte Gerichte für die Tiefkühltruhe und schwätzte einen Augenblick mit den alten Knaben.
    Als er gegangen war, sagte der eine Freund: »Netter Bursche!« Daraufhin fing der andere an zu quengeln. »Laßt mich ein bißchen misanthropisch sein. Ich habe bei ihm die typische Gönnerhaftigkeit der Jugend entdeckt, und die gefällt mir nicht. Die sollen sich nichts einbilden! Kürzlich mußte ich im Zug durch drei Waggonabteile, drei lange Wagen lang. Alles Halbwüchsige im Hormonrausch, die Mädchen ausnahmslos mit nackten Bäuchen. Alle leicht entgleist vom Biertrinken, dazwischen jedesmal intensiver Abortgeruch. Abstoßend, sage ich euch, diese ihre kreischende Geschlechtlichkeit ausdünstende Jugend. Behauptet ruhig das Gegenteil, ich bleibe dabei.«
    »Aber damals, als ich endlich die elterliche Zweizimmerflüchtlingswohnung verlassen konnte und Kellner lernte in Paris, wo mich prompt die reizende Marion verführte, Marion Smith aus Amerika und echte Millionärstochter! Zum ersten Mal in meinem Leben nahm sich ein Mädchen meiner rundum an … April, Paris, Dachstube … alles vorhanden.« Herr Fritzle breitete weit die Arme aus: »Soll das nichts gewesen sein? Und vorher auchnichts, als es in Heidelberg von der Hotelfachschule aus auf eine Tanzerei ging, wo es ältere Mädchen zum Abschleppen gab, solche, von denen man lernen konnte? Die Herrlichkeit war das! Ich hatte mir bei der Tanzschule Krasemann gegen Voreinsendung von 6,– DM den ›Leichtfaßlichen Leitfaden für den Selbstunterricht‹ schicken lassen: Walzer, Tango, Foxtrott, Rumba, Samba, Swing, du meine Güte. Damals, ach ja, damals, damals! Jetzt habe ich bloß eine hübsche Krankentherapeutin mit feuerrotem Haar, die mich streng sachlich malträtiert. Millionärsgatte oder Oberkellner wurde ich nicht, mußte aber auch nie den Gästen Fleisch und Gemüse aus Analogmaterie servieren.«
    »Du lügst«, schrie der erste Freund, »wie willst du es mit so einer Vergangenheit in den Ratzeburger Goldachter geschafft haben?«
    »Pfennigfuchser, Erbsenzähler!« brüllte Fritzle freudig erregt, »schleudere ich nicht noch heute jeden Morgen meine Pillendose mit den Tabletten gegen Bluthochdruck quer über die Konsole, genauso wie man im Western die Whiskyflasche über die Theke fegt?«
    »Andererseits«, sagte der zweite Freund, »ist bei meinem letzten Besuch in Rom eine komische Sache passiert. Wirklich verrückt. Ich habe von ziemlich weit oben auf die antiken Trümmer gesehen und mir nicht gesagt wie bisher jedesmal:

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