Gewäsch und Gewimmel - Roman
zwar im letzten Moment dagegen gestimmt, lasse sich aber nur zu gern die verschwiegensten Hochgebirgspfade von anderen Narren, den Bikern, zerstören.
Der ernste Mann erzählte etwas langatmig im Vergleich zu den anderen Gästen. Ich selbst fand seinen Beitrag originell. Hatte der von Krankengeschichten geplagte Arzt sich nicht ehrlich Mühe gegeben? Vielleicht hoffte er, wir würden damit anfangen, uns weitere Lachvorschläge auszudenken. Als er fertig war, sah er nicht nur als einziger richtig zufrieden aus, ihm liefen vor Vergnügen sogar Tränen aus den Augen.
Er spürte nicht, was alle anderen längst gemerkt hatten. Hans, der ja ein wunderbarer Causeur, so nennt es Sabine, Causeur der alten Schule ist, wurde durch die Umständlichkeit des Arztes, die an solchen Abenden nichts zu suchen hatte, von Minute zu Minute gereizter. Es gefiel ihm auch nicht, nehme ich an, daß ein anderer sein eigenes Spiel durch ein neues Thema zerstörte.Bis in meinen Winkel hinein sah ich das böse Flackern in seiner Miene. Herzer war eigentlich noch nicht ganz ans Ende gelangt, als Hans ihn plötzlich sehr laut unterbrach: »Nicht wahr, Jeanette, geben Sie es zu, ein achteckiges Gartenhäuschen mit acht Fenstern zum Reinkucken und zum Rauskucken in den Garten und zum Verhängen, wir erinnern uns, das ist es, was den Zocks noch fehlt. Die Kastanie, die Magdalena mir sehr huldreich zur Geburt von Didi hat pflanzen lassen, die würde dadurch trefflich ergänzt.«
Es wurde stiller, als es in einem menschenleeren Zimmer jemals sein könnte. Herzers Frau, mit ihrer hellen, fast übertrieben gepflegten Haut, errötete schrecklich.
Das geschah wohl vor Entsetzen. Sie richtete die Augen ein bißchen glotzend auf unsern Herrn Hans, der sich sofort erschrocken an die Lippen fuhr. Dann wurde sie totenblaß und, ich weiß nicht, ganz mager im Gesicht. Da, erst da erkannte auch ihr Mann durch seine immer noch nicht getrockneten Lachtränen hindurch, wie mühsam sie sich beherrschte. Während er versuchte, dem nachzuhorchen, was Hans gesagt hatte, machte Jeanette plötzlich einen Fluchtversuch. Hehe jedoch, der neben ihr saß, hielt sie mit eiserner Klaue fest, mit seinen starken Schlachterhänden unerbittlich. Erhob sich nun nicht aber der Frauenarzt und näherte sich hoch aufgerichtet dem sitzenden Hans, der schon wieder eine Unschuldsmiene machte, näherte sich ruhig, wie angeschwollen, in einer furchteinflößenden Haltung, die ich ihm nicht zugetraut hätte? Er stützte sich dabei mit der Hand auf alle Stuhllehnen und berührte dabei alle Rücken, an denen er vorbeikam.
Sabine hat mir, spät in derselben Nacht, mitgeteilt, Hans werde der Jeanette nicht so schnell verzeihen, daß sie durch ihre Hysterie sein frivoles Spielchen so katastrophal verdorben habe. Mehr Erklärungen zu dem Vorfall habe ich nicht bekommen. Das wollte ich auch gar nicht. Trotzdem hörte ich das Zögern undleichte Beben in Sabines Stimme, als sie sagte »frivoles Spielchen«. Ich sah nur, daß selbst diese freundlichen und fast herzlichen Menschen, wenn sie nicht achtgeben, einander ohne Not im Handumdrehen unglücklich machen können.
Schon wollte ich damals in meiner Angst aufschreien, um unseren Herrn Hans vor dem Angreifer Herzer zu warnen, als uns der ökologische Fleischermeister Hehe, der beste Freund von Hans, rettete durch einen wirklichen Schrecken und Ernst, auch wenn es vermutlich, Sabine ist da meiner Meinung, strenggenommen zum Teil gespielt war. Es ging nicht so schlimm zu wie bei dem Anfall später, zu der Zeit, in der Hans uns allen so fehlte, und doch kommt es mir jetzt vor, als sollten wir schon an etwas gewöhnt werden.
Hehe brach im letzten Moment, bevor Herzer bei Hans anlangte und womöglich etwas Furchtbares passiert wäre, in ein Geheul aus. Er sprang auf, offenbar von Krämpfen geschüttelt, und versuchte, ganz grau im Gesicht, durch einen Laufschritt dem Schmerz zu entkommen. Dabei stieß er gleichzeitig stöhnende Beschwichtigungslaute aus, bat wahrhaftig bei uns um Entschuldigung für das, was ihm widerfuhr, und ließ sich ächzend auf den Fußboden nieder. Er hatte die Zähne zusammengebissen, aber das Wimmern ging uns durch Mark und Bein.
Ilona in ihrem knallroten Kleidchen war schneller als der Arzt. Sie hatte sofort ein Glas Wasser in Auftrag gegeben, in das sie eine Tablette aus Hehes Jackentasche warf, und drückte, mit hochgezogenem Rock vor dem sich windenden Metzger kniend, den vorderen Teil von dessen Füßen mit aller
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