Gewagt - Gewonnen
sein schönstes Lächeln. Und er war ausgesucht höflich, als er ihr den Pelzumhang um die Schultern legte und mit ihr zum Wagen ging. Er vergaß auch nicht, ihr innig den Arm zu drücken, den sie auf den seinen gelegt hatte.
Jörgen Trahne nahm in dem Gedränge des Vestibüls Astrids Arm und lotste sie nach draußen. Es war ein kühler, klarer Winterabend.
„Ich weiß nicht…“, sagte er. „Ob wir nicht im Bristol zusammen noch eine Kleinigkeit essen, bevor wir nach Hause gehen? Oder…“
„Sehr gern“, sagte Astrid einfach. Sie war von den Eindrücken des Theaterabends noch immer ganz benommen.
Sie gingen den kurzen Weg zu Fuß, und die ganze Zeit über behielt Trahne Astrids Arm, als müsse es so sein. Sie sprachen nicht viel, aber nach und nach kehrte Astrid zur Wirklichkeit zurück. Sie atmete tief und sagte dann mit einem glücklichen Lächeln:
„Es war wunderschön. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas so Herrliches gesehen.“
Im Bristol fanden sie mit Mühe und Not einen kleinen Ecktisch, der noch frei war. Astrid blickte sich im Saale um.
An einem Tisch mit einem großen Blumenstrauß, der unmittelbar an der Balustrade stand, entdeckte sie ein cremefarbenes Kleid und einen platinblonden Kopf. Sie blickte weg und wandte sich lächelnd Jörgen Trahne zu.
Sie war nun völlig in die Wirklichkeit zurückgekehrt und wieder die ruhige und besonnene Astrid, die auf eigenen Füßen stand und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdiente. Ihr Taktgefühl und sicherer Instinkt halfen ihr, Jörgen Trahne durch alle Schwierigkeiten der komplizierten Speisekarte und der noch komplizierteren Weinkarte hindurchzulotsen.
„Ich vertrage nur wenig Alkohol,“ erklärte sie. „Außerdem muß ich morgen früh frisch und gut in Form sein. Ich soll um neun Uhr einen prämiierten Bedlington trimmen.“
„Und ich“, sagte Trahne lächelnd, „soll um neun Uhr Moralpredigten halten und mit schonender Hand Bußen auferlegen.“
„Bußen auferlegen?“
„Ja. Ich werde das Vergnügen haben, die Arrestanten der Nacht, die zu tief ins Glas geguckt haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Und da muß doch wenigstens einer von den Anwesenden frei von Katzenjammer sein.“
Astrid lachte. Sie einigten sich auf einen leichten weißen Bordeaux.
„Leider bin ich kein besonders guter Tänzer“, sagte Trahne. „Aber wenn Sie es wagen wollen…“
Astrid wagte es, und es ging recht gut. Trahne war kein raffinierter Tänzer, und viel Übung besaß er offenbar auch nicht, aber er war sehr musikalisch und hatte ein Gefühl für Rhythmus.
Sie hatten das Fleischgericht gegessen und warteten auf den Nachtisch, als Per Mostvedt zu ihnen trat.
„Entschuldigen Sie, Herr Kommissar“, sagte er lächelnd, „aber ist es nicht die Pflicht der Polizei, einem Staatsbürger zu Hilfe zu kommen, wenn er sich in einer Notlage befindet?“
„Wie soll ich das verstehen, Herr Mostvedt?“ fragte Jörgen Trahne verwundert. „Befinden Sie sich in einer Notlage?“
„Man hat mir meine Dame entführt, Herr Kommissar. Wäre unter diesen Umständen ein unbilliges Verlangen, wenn ich die Polizei bitte, mir mit der unter ihrem Schutz stehenden jungen Dame für die Dauer eines einzigen Tanzes auszuhelfen?“
„Wenn die, wie Sie sagen, unter dem Schutz der Polizei stehende Dame damit einverstanden ist?“ gab Jörgen Trahne zur Antwort.
Astrid wußte nicht recht, was sie sagen sollte. Aber da sah sie Gerda – platinblond, im Modellkleid, schöner denn je – vorübertanzen und stand auf.
„Gut, aber nur einen Tanz“, sagte sie und nahm Pers Arm. Während des Tanzes sprachen sie kein Wort miteinander. Per hatte seinen Arm fest um sie gelegt, und sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange.
Als das Orchester pausierte, hielt Per ihren Arm mit dem seinen fest, während er gleichzeitig eifrig klatschte, und er zwang sie in dem Augenblick, da die Musik wieder einsetzte, mit ihm weiterzutanzen.
„Ich will Jörgen nicht so lange allein lassen“, erklärte Astrid, und sie merkte es selbst nicht, daß sie nicht Herr Trahne, sondern Jörgen sagte.
Per antwortete nicht. Aber kurz darauf machte er Astrid auf ein Paar aufmerksam, das an ihnen vorübertanzte. Ein cremefarbenes Kleid mit Jörgen Trahne im blauen Anzug.
Es geschah auf Gerdas Veranlassung, dachte Astrid. Und sie hatte recht.
Per sprach noch immer nicht. Aber sein Atem ging schnell, und seine Augen hatten einen eigentümlichen Glanz. Zögernd ließ er Astrid los, und als er sie an
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