Gewagt - Gewonnen
Timian?“
„Wuff!“ sagte Timian. Aber in Anbetracht der späten Stunde sagte er es ganz leise.
„Aber ich verstehe das mit dem Tierarzt und Fräulein Harder nicht, Timian. Ich begreife nicht, wie Astrid zu diesem Umgang kommt.“
Timian tat, als verstünde er Herrchens Worte und dächte nach.
„Der Tierarzt sah sie mit merkwürdigen Augen an, Timian. Verstehst du?“ Timian hielt den Kopf schief.
„Aber mir scheint, sie paßt besser zu dir und zu mir.“
„Wuff!“ sagte Timian.
Und das soll ich glauben?
In Heins Zimmer hörte man ein kräftiges Plumpsen, dann eifrige Stimmen und schließlich ein dumpfes Krachen.
Astrid vernahm es durch die Wand hindurch. Sie war für diesen Tag mit ihrer Arbeit fertig, zog sich um und machte Toilette. In der Küche stand die Mutter und kochte Kaffee. Die beiden Mannsleute, die in Heins Zimmer Jiu-Jitsu übten, konnten einen stärkenden Trank brauchen.
Hein hatte mit Jörgen eine dicke Freundschaft geschlossen, und er sah zu ihm mit all der Hochachtung und Bewunderung auf, die ein Sechzehnjähriger notwendigerweise für einen tüchtigen Sportler von achtundzwanzig empfinden muß. Jörgen hatte sich gutmütig bereit erklärt, Hein Jiu-Jitsu beizubringen, und Hein ließ sich voller Wonne mit einem einzigen kleinen Griff zu Boden werfen und war glücklich, wenn es ihm einmal gelang, Jörgen zu überlisten. Timian fühlte sich bei Libergs ganz zu Hause. Bald war er in der Küche und erbettelte sich von Frau Liberg einen Kuchen, bald kratzte er an der Tür von Astrids Zimmer, um sich streicheln zu lassen und vielleicht verstohlen auf Astrids Bett ein kleines Nickerchen zu machen. Er war übrigens heute ungewöhnlich brav und still. Als Frau Liberg, Astrid und die beiden Kampfhähne um den Kaffeetisch versammelt waren, rollte Timian sich unter Jörgens Stuhl zusammen und versank in einen tiefen, ruhigen Schlaf. „Er holt die versäumte Nachtruhe nach“, erklärte Trahne. „Wir machten heute nacht einen Inspektionsrundgang. Daher ist er nicht viel zum Schlafen gekommen.“
„Inspektionsrundgang?“ fragte Hein.
„Ja. Es gehört zu meinen Pflichten, von Zeit zu Zeit die diensttuenden Polizisten zu kontrollieren, und einmal monatlich muß es mitten in der Nacht geschehen. Timian liebt es nicht, um zwei oder drei Uhr morgens aus dem Schlaf aufgestört zu werden, aber er liebt es noch weniger, daß ich fortgehe und ihn allein lasse. Da trottet er denn eben mit.“
„Was ein Polizeikommissar doch alles zu tun hat“, sagte Hein. „Macht es Spaß?“
„Meinst du den nächtlichen Rundgang?“
„Nein. Ich meine die Arbeit bei der Polizei überhaupt.“
„Sie ist interessant. Man bekommt es mit vielen merkwürdigen Menschen zu tun, weißt du. Das ist nicht schlecht für jemand, der seine Menschenkenntnis gern erweitern möchte.“
„Haben Sie auch Mord und so was aufzuklären?“
Trahne lachte herzlich.
„Nein. Mit der Kriminalabteilung habe ich nichts zu schaffen. Wenn du ohne Konzession Branntwein verkaufst oder welchen heimlich brennst oder wenn du dich betrunken auf der Straße blicken läßt, dann bekommst du es mit mir zu tun, Hein. Wenn du aber stiehlst oder einbrichst oder jemand totschlägst, dann mußt du dich schon damit abfinden, daß ein anderer die Sache in die Hand nimmt.“
Frau Liberg freute sich. Jörgen Trahne benahm sich jetzt viel freier und ungezwungener als in der ersten Zeit, und er schien sich bei ihnen wohl zu fühlen. Sie konnte ihn gut leiden, und ihr Mutterinstinkt wurde wach, wenn sie daran dachte, daß der junge Mann keine Familie hatte und so gut wie gar keinen geselligen Verkehr.
Plötzlich klingelte es. Astrid ging und machte auf.
„Sie sind es, Herr Harder? Welche Überraschung! Wie schön, daß Sie uns einmal besuchen!“
Harder ergriff ihre beiden Hände.
„Komme ich ungelegen, Fräulein Astrid?“
„Keineswegs, im Gegenteil: Wir trinken gerade Kaffee. Bitte, treten Sie näher!“
Harder zog den Mantel aus. Als Astrid aber die Stubentür öffnen wollte, hielt er sie zurück.
„Warten Sie einen Augenblick, Fräulein Astrid! Sehen Sie… hier ist das Geschenk, das ich Ihnen aus dem Ausland mitzubringen versprochen habe. Ich hoffe, es wird Ihnen etwas Freude machen.“
Er steckte ein Etui in Astrids Hand. Sie öffnete es und schrie erschrocken auf.
„Das geht aber wirklich nicht! Wo denken Sie hin?“
„Warum sollte das nicht gehen?“ erwiderte Harder ruhig. „Ich sagte doch, ich hätte Sie – in
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