Gewagt - Gewonnen
wenig verwöhnt, daß die Theaterwelt für sie ein großes Erlebnis bedeutete. Mit glühenden Wangen stieg sie die mit einem dicken Teppich belegte Marmortreppe zum Foyer hinauf.
Als Trahne sie zu einem Glas Limonade einlud, nahm sie dankend an.
Plötzlich entdeckte sie Gerda Harder in einem raffiniert einfachen, cremefarbenen Kleid, und neben ihr Per Mostvedt.
„Hallo, Fräulein Liberg!“
„Guten Abend, Fräulein Harder. Sind Sie aus Oslo schon zurück?“
Astrid stellte vor. Sie war sich dessen nicht klar bewußt, aber es erfüllte sie mit einer stolzen Freude, daß ihr Begleiter so gut aussah. Er war etwas größer und jünger als Mostvedt. Trahne war sehr schweigsam und beschränkte sich auf die notwendigsten Höflichkeitsphrasen.
„Drollig, ,Cyrano’ auf norwegisch zu hören“, sagte Gerda. „Die Übersetzung ist übrigens nicht schlecht. Aber der Duft des Originals ist eben doch verlorengegangen.“
„Haben Sie das Stück in der Originalfassung gesehen?“
„Ja. Zweimal in Paris und einmal in Genf.“
„Ich finde es auch auf norwegisch wunderschön“, sagte Astrid.
Gerda zuckte die Achseln. „Für meinen Geschmack gar zuviel Romantik“, sagte sie. „Schließlich muß doch auch die Liebe in Grenzen bleiben. Was mich am meisten interessiert, ist die Form, die die verschiedenen Schauspieler der Cyranonase zu geben wissen. Und ich stehe die ganze Zeit eine wahre Todesangst aus bei dem Gedanken, das Wachs könnte zu schmelzen beginnen. Welches Malheur, wenn die Nase während der heißesten Liebesbeteuerung auf einmal herunterfiele!“
„Wenn du das sehen willst, mußt du in den Zirkus gehen“, sagte Per Mostvedt gereizt. Dann nahm er sich zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. „Merkt ihr das Erdbeben? Es ist der arme Rostand, der sich im Grabe wendet.“ Sein Witz kam nicht recht an bei den Zuhörern. Astrid fragte Gerda, wie es ihrer Kaninchenfarm ginge.
„Gut“, erwiderte Gerda. „Vier neue Würfe in den letzten Tagen. Es wird verteufelte Arbeit machen, die ganze Farm zu verlegen. Aber ich will die Kaninchenzucht weiterführen. Und ich will nicht auf Vaters Gut bleiben, ich will mein eigenes haben. – Oh, es klingelt…“
„Merkwürdig, was Fräulein Harder alles will“, sagte Trahne leise. Und das war seine einzige Anmerkung zu dem Zusammentreffen mit Gerda Harder und Per Mostvedt.
Astrid aber dachte im stillen daran, wie schön Gerda doch war. Aber heute hatte sie noch kühler gewirkt als sonst. Lag es an dem hellen Kleid? Oder an der kalten Farbe des Türkisschmucks, den sie trug? Gerda sollte sich erdbeerrot kleiden, dachte sie. Und der Vorhang ging wieder auf.
Ein paar Reihen weiter zurück saß ein Herr in dunklem Gesellschaftsanzug neben einer Dame in cremefarbenem Kleide. Was hinter den platinblonden Locken an seiner Seite vorging, wußte Per Mostvedt nicht. Eigentlich hatte er es nie gewußt.
Er achtete nicht auf die Vorgänge auf der Bühne. Er sah ein kleines Gesicht voller Wärme und Lebensfreude vor sich – ein kleines Gesicht mit dunkelblonden Locken –, ein kleines Gesicht mit funkelnden, blanken Kinderaugen. Und er hörte eine leise, melodische Stimme sagen: „Ich finde es wunderschön…“
Eine kleine Gestalt in einem schlichten, gutsitzenden Kleide. Einem Kleide, nach dem sich niemand umwandte. Eine Erscheinung, über die niemand eine Bemerkung flüsterte, weil an ihr gar nichts Auffallendes war.
„Wonach siehst du?“ fragte Gerda, als der Vorhang wieder gefallen war. Per Mostvedts Augen ruhten auf ihrem schlanken, edel geformten Hals. „Nach deinen Türkisen“, sagte Per. „Bist du von ihnen so bezaubert?“ fragte Gerda.
„Nein“, antwortete Per, und seine Stimme klang hart und scharf. „Ich kann Türkise nicht ausstehen.“
„Das ist aber schade“, sagte Gerda. „Und dabei habe ich das Kleid speziell für die Türkise entwerfen und nähen lassen! Weshalb magst du sie nicht?“
„Sie sind so kalt“, sagte Per. Gerda zuckte die Schultern.
„Ich habe von meiner Großmutter eine alte Granatgarnitur geerbt“, sagte sie. „Ich werde sie anlegen, wenn wir das nächste Mal zusammen ausgehen.“
„Da werden wir wohl mit dem Ausgehen warten müssen, bis du auch für die Granate ein Kleid hast entwerfen und nähen lassen“, sagte Per.
Gerda warf ihm einen Seitenblick zu und zuckte abermals die Schultern. Aha! dachte sie. Schlechte Laune! Um so schlimmer für dich selbst, mein Junge!
Aber als die Vorstellung aus war, lächelte Per
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